248 DOCUMENT 68 JULY 1900 68. To Mileva Maric [Melchtal,] Sonntag Früh. [29? July 1900][1] Mein liebstes Doxerl! Da ich schreib in meinem Bett, Wirds halt nicht so furchtbar nett! Doch nur immer frisch drauf los geschmiert, Das Doxerl sich doch dafür interessiert!.... VorGestern[2] kam ich also planmäßig mit der Schauertante in Sarnen an, wo uns Mama, Maya und ein Wagen erwarteten.[3] Darauf wurde ich abgebusselt. Dann fuhren wir ab doch bald stiegen Maya und ich ab, um etwas mit zu wandeln. Bei der Gelegenheit sagte mir Maya, daß sie es nicht gewagt habe, etwas über die "Dockerlaffäre" zu berichten, auch bat sie mich, ich solle die Mama "schonen"-das soll heißen-nicht mit der Thüre ins Haus fallen. Wir kommen heim,[4] ich auf Mamas Zimmer (Unter 4 Augen). Zuerst muß ich ihr vom Examen erzählen,[5] dann frägt sie mich so recht harmlos: "Nun, und was wird denn aus Dockerl?". "Meine Frau" sag ich ebenso harmlos doch auf eine gehörige "Szene" gefaßt. Die kam auch gleich. Mama warf sich auf ihr Bett, verbarg den Kopf in den Kissen und weinte wie ein Kind. Als sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte, ging sie sofort zu einer verzweifelten Offensive über: "Du vermöbelst Dir Deine Zukunft und versperrst Dir Deinen Lebensweg". "Die kann ja in gar keine anständige Familie". "Wenn sie ein Kind bekommt, dann hast Du die Bescherung". Bei diesem letzten Ausbruch, dem noch mehrere vorangegangen waren, brach mir endlich die Geduld. Ich wies den Verdacht, daß wir unsittlich zusammen gelebt hätten, mit aller Energie zurück, schimpfte tüchtig & wollte eben das Zimmer verlassen, als Mamas Freundin, Frau Bär ins Zimmer trat,[6] ein kleines frisches Weiblein mit vielem Leben, so eine Henn von der nettesten Art. Da sprachen wir sofort mit größtem Eifer vom Wetter, von neuen Kurgästen, ungezogenen Kindern etc. Nun gings zum Essen, dann musizierten wir etwas. Beim "Gute Nacht" unter 4 Augen ging wieder dieselbe Historie los, doch "piu piano". Am folgenden Tage war das Ding schon besser, und zwar, wie sie selbst sagte, aus folgendem Grunde: "Wenn sie noch kein (von ihr so gefürchtetes) Verhältnis gehabt haben und noch so lange warten wollen, so werden sich schon noch Mittel und Wege finden". Nur das ist sehr fatal, daß wir immer beisammen bleiben wollen. Die Bekehrungsversuche beruhten in Reden wie: "Sie ist ein Buch wie Du-Du solltest aber eine Frau haben". "Bis Du 30 bist, ist sie eine alte Hex" etc. Doch da sie sieht, daß sie vorläufig absolut nichts ausrichtet, sondern mich nur böse macht, hat sie einstweilen die "Behandlung" aufgegeben.
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