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so Besso, von dem ich nun nicht weiss, wo er sich eben befindet. Er war auf der
Planalp bei
Brienz.[3]
Das traurige Schicksal meiner Frau geht mir sehr nahe. Ihr
letzter Brief zusammen mit dem Konversationslexikon haben mir den Fall soweit
klar gemacht, als praktisch nötig ist. Meine Frau machte mit 20 oder 21 Jahren eine
Drüsenoperation durch. Es war ohne Zweifel eine tuberkulöse
Erkrankung.[4]
Nun
setzt sich die Sache im Gehirn fort. Ich weiss wohl, dass es da keine Rettung mehr
gibt, sondern dass die einzige Frage die ist, wielange die Qual noch dauert. Ich war
so unwissend, dass mir der Zusammenhang der Drüsen-Entartung mit der Tuber-
kulose unbekannt war. Sonst wäre ich nicht so leichtsinnig gewesen, mit dieser
Frau Kinder zu zeugen. Bis jetzt sieht es so aus, wie wenn letztere nichts abbekom-
men hätten. Ein Glück, dass man nicht in die Zukunft sieht; sonst wäre es unerträg-
lich.
Es ist möglich, dass die Schwester meiner Frau nach Zürich zu den Kindern
geht.[5]
Dies wäre ein wahrer Trost für mich, da sie die Kinder sehr gerne haben.
Wenn aber das Leiden meiner Frau soweit vorgeschritten sein wird, dass sie kein
Bewusstsein mehr hat, nehme ich die Kinder unverzüglich zu mir. Ich schicke sie
in keine Schule, sondern unterrichte sie zunächst privat, zum Teil selbst, und sende
sie dann für die letzten vier Schul-Jahre in die
Schweiz.[6]
Denn sie dürfen mir
nicht verpreusst werden, sondern müssen ordentliche Schweizer werden, die sich
dort zuhause fühlen und dort später den Anschluss an das Leben suchen sollen.
Wissenschaftlich habe ich in den letzten Wochen eine sehr schöne Sache gefun-
den. Ich sende Ihnen zugleich mit diesem Brief eine kleine Publikation
darüber.[7]
Die Fortsetzung wird in dem Heft der Zürcher physikal. Gesellschaft zum Anden-
ken an Kleiner
erscheinen.[8]
Sie werden vielleicht die Arbeit nicht bequem allein
lesen können. Aber Besso wird sie Ihnen explizieren. Es handelt sich um den tief-
ern Sinn und die Herleitung der Planckschen Strahlungsformel. Ich sende Ihnen
auch ein Exemplar der Darlegung der allgemeinen Relativität ohne Zumutung, es
wirklich zu
lesen.[9]
Ich freue mich darauf, bis ich Ihnen wieder die Hand geben kann. Ohne Sie und
Familie
Züricher[10]
hätte ich mir nicht zu helfen gewusst. Es ist hart, wenn man
seine Nächsten in solcher Bedrängnis weiss und nicht persönlich helfen kann.
Schreiben Sie mir nun ohne die übliche Rücksicht offen über den Thatbestand und
auch über meine Kinder, und die Art, wie sie das Unglück tragen und seien Sie von
Herzen gegrüsst von Ihrem
A. Einstein.
Freundlichen Dank auch an Ihre
Frau.[11]
ALS (SzZ, Nachl. H. Zangger, box 1c). [86 458]. The envelope is addressed “Herrn Prof. Dr. H.
Zangger Bergstr. Zürich,” and postmarked “Berlin-Wilmersdorf 1 18.8.16. 1–2 N[achmittags],” with
secondary postmark “Zürich Brf. Exp. 21.VIII.16. X–” and return address “Abs. A. Einstein Wittels-
bacherstr. 13 Wilmersdorf.”
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