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Kosten, die aus der Krankheit erwachsen, zahle ich extra. Darum braucht sie sich
gar nicht zu bekümmern. Zuhause hat sies doch unruhig mit den lebhaften Buben.
Es ist ein unsagbares Glück, dass Sie und Ihre Frau sich der meinigen in Zürich so
annehmen; sonst wüsste ich gar nicht, was ich machen sollte. Andererseits ist es
aus mehr als einem Grunde ein Glück, dass sie in Zürich und nicht hier sind.
In Holland verlebte ich schöne Tage mit Menschen von seltener Geistestiefe und
Bildung, die keine Ladstöcke geschluckt haben und an keiner Massenpsychose
leiden.[4]
Ich las mit Ehrenfest
Treitschke.[5]
Das sollen Sie auch thun. Es ist der
Name, den man als Etikette der hiesigen Oberschicht aufkleben könnte. Ausserdem
lese ich gerade „meine Berichte“ von Tolstoi, ein Büchlein, das zwar etwas sprung-
haft im Ideengang ist, bei dessen Lektüre ich aber viel Verwandtes
fühle.[6]
Er er-
kennt nach schwerem Kampfe, dass ein lebhafter und denkender Mensch nicht le-
ben kann, ohne sich an etwas ausserpersönliches zu klammern. Darin aber, dass
dieses auserpersönliche der kindliche Gottesglaube sein müsse, kann ich ihm nicht
beistimmen.
Seit meinem letzten Schreiben habe ich wenig Selbständiges hervorgebracht, in
der Hauptsache nur eine formale Vereinfachung der allgemeinen Relativitäts-
theorie.[7]
In diesem Semester lese ich
wieder,[8]
und es ist ein Mann da mit dem
Wunsche, dies Kolleg zu einem Buche zu verdichten. Das ist löblich, denn mir
selbst fehlt es dazu an Unternehmungsgeist.
Hoffentlich sind Sie wieder ganz gesund und froh in Ihrer Arbeit. Herzliche
Grüsse von Ihrem
Einstein.
ALS (SzZ, Nachl. H. Zangger, box 1c). [86 504].
[1]Year provided by the reference to his wife’s illness, his trip to the Netherlands, and the mention
of Einstein 1916o.
[2]Einstein wrote to his son twelve days earlier (see Einstein to Hans Albert Einstein, 13 October
1916 [Vol. 8, Doc. 263]).
[3]Einstein-Maric; had been admitted to the Theodosianum hospital in Zurich in August (see Vol. 8,
Doc. 247a, note 2 in the present volume).
[4]Einstein spent two weeks in the Netherlands starting on 27 September.
[5]Heinrich von Treitschke (1834–1896), who had been Professor of History at the University of
Berlin, lent support for the Great Powers aspirations of the Prussian state with his history of Germany,
Treitschke 1879/1895. He also took anti-Semitic stances in a published debate with the Jewish histo-
rian Heinrich Graetz (see Meyer 1966; for a published tract displaying his anti-Semitism, see
Treitschke 1879).
[6]Tolstoy 1886.
[7]Einstein’s manuscript on Hamilton’s principle in general relativity was submitted on 26 October
to the Prussian Academy and was published on 2 November as Einstein 1916o (Vol. 6, Doc. 41).
[8]Einstein offered a course on relativity at the University of Berlin, 16 October 1916–15 March
1917, Thursdays, 2–4
P.M.
(Berlin Verzeichnis 1916b).
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