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der Aufenthalt meines Tete in diesem Sanatorium nicht für mehr als 3 Monate ist,
so sehe ich vorläufig keine
Gefahr.[3]
Wenn ich dann etwa 6.–8. Juli nach Zürich
komme, so werden wir alles genau zusammen überlegen. Sie werden dann sehen,
dass es nicht spiessige Kleinlichkeit ist, die mich besessen macht. Die Angelegen-
heiten müssen dann auch in solchem Sinne geordnet werden, dass Sie nicht mehr
so arg belastet werden wie in der letzten Zeit. Sie gehören zu den Menschen, die zu
wenig Egoismus haben; dies ist ein schönes Laster, aber doch eines.
Ich bemühe mich gegenwärtig um meine Reise-Erlaubnis, was keine kleine Sa-
che ist. Aber man wird mir diese berechtigte Reise nicht abschlagen können, wenn
ich die richtigen Hebel in Bewegung setze. Ich arbeite gegenwärtig ganz wenig und
liege viel im Freien, gehe fast nicht. Diese mir vorgeschriebene Lebensweise ver-
setzt meinen Leichnam in einen sichtlich besseren Zustand. Leider werde ich auch
in der Schweiz gar nicht herumlaufen dürfen, sondern muss jeden Schritt sparen,
der sich vermeiden lässt. Ich schreibe Ihnen dies, damit nicht irgendwelche Unter-
nehmungen geplant werden, die ich dann nicht ausführen kann. Es thut mir für mei-
nen Albert leid, dass ich ihm ein so lahmer Kamerad sein muss. Aber ich werde den
Mangel irgendwie auszugleichen suchen. Die Sendung des Geldes macht wachsen-
de Schwierigkeiten, die sich aber mit Hilfe des Kultus-Ministeriums sicher über-
winden lassen werden. Für die nächste Sendung habe ich schon Schritte gethan
(1400 fr am ersten August). Wenn ich vor meiner Abreise, die schon am 29. Juni
stattfindet noch eine weitere Sendung bewerkstelligen soll, so bitte ich um soforti-
ge Mitteilung, damit ich es gleich besorge. Mein Leben verläuft sehr still, zumal
die meisten Fachgenossen der wissenschaftlichen Arbeit entzogen
sind.[4]
Wer
weiss, wann sich die Menschen wieder schöneren Zielen zuwenden.— In den
„Naturwissenschaften“ ist ein überaus schöner Artikel über die Theorien von
Aristoteles und Hippokrates über Erblichkeit im Lichte der modernen Fortschritte
auf diesem Gebiete
erschienen.[5]
Der Aufsatz wird vielleicht auch einem Fach-
mann wie Ihnen Freude machen.
Könnten wir Tete, wenn eine tägliche ärztliche Behandlung nicht mehr nötig ist,
nicht vielleicht für 2 Jahre anderweitig in Arosa
unterbringen?[6]
Wir wollen dann
darüber reden. Jedenfalls will ich nichts unversucht lassen, wenn eine eigentliche
Wiederherstellung nach Ihrer Meinung noch im Bereich der Möglichkeit liegt.
Herzliche Grüsse von Ihrem
A. Einstein.
Ihrer Frau vielen Dank für alles, was sie an meinen Buben gethan hat, und einen
Kuss für meinen Albert.
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