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8. From Willem H. Julius
[Utrecht,] 8 Mai 1920
Lieber Kollege Einstein,
Gestatten Sie dass ich, im Anschluss an die gestrige
Unterhaltung,[1]
die Haupt-
punkte unserer Überlegungen über die Linienverschiebungen noch einmal kurz
zusammenfasse;[2]
vielleicht könnte das zur Lösung der Schwierigkeit irgendwie
nutzen.
Der Schluss zu welchem Grebe und Bachem gelangen, schien uns nicht genü-
gend
begründet;[3]
denn erstens ist das Mittel 0,56 km/sec merklich kleiner als der
theoretische Wert 0.63 und fällt sogar auf 0,475 herab wenn man die eine Linie
3866.960 (die in der früheren Arbeit als unbrauchbar gekennzeichnet wurde)
fortlässt;[4]
und zweitens wurde nicht gezeigt dass es ausgeschlossen sei, die beob-
achteten Verschiebungen als das Resultat der Zusammenwirkung mehrerer Ursa-
chen zu deuten. Mögliche photographische Effekte und Beurteilungsfehler wurden
zwar von G. u. B. in Betracht gezogen; aber sogar bei einer alleinstehenden Linie
könnten Druck-, Doppler-effekt oder anomale Dispersion die Gravitationsver-
schiebung fälschen.
Man kann nicht daran zweifeln dass verschiedene Ursachen gleicher Grössen-
ordnung mitspielen. Die beträchtliche Rand-Zentrum-verschiebungen (0.0068 Å
als Mittelwert für 476
Linien)[5]
sind wohl schwerlich als Gravitationseffekt zu
deuten;[6]
auch nicht als Druckeffekt (wie Evershed zur Genüge gezeigt
hat);[7]
noch weniger aber als Folge einer abstossenden Kraft welche speziell die Erde,
oder das Britische Reich, auf die Sonnengase ausüben
sollte.[8]
Und die Tatsache
dass die Verschiebungen so sehr verschieden sind von einer Linie zur andern, (in
dem Maße, dass wohl-konstatierte Violettverschiebungen auftreten) ohne jeden
Zusammenhang mit den experimentellen Druckverschiebungen zu zeigen,
während, wenn man Mittel bildet, eine einfache, aus der Dispersionstheorie vorher-
gesagte Beziehung zur Linienintensität sich ergibt—diese Tatsache erscheint uner-
klärlich, es sei denn, dass man die Fraunhoferschen Linien im Wesentlichen als
Dispersionslinien auffasst.
Für diese Deutung sprechen ausserdem, kurz, die folgenden Gründe:
10.
die, im
allgemeinen, geringe Breite der Fr. Linien und d[ie] grosse Ähnlichkeit der Spektra
des Zentrums und des Randes der Sonnenscheibe;
20
die Art des Zusammenhangs
zwischen den
Fraunhoferschen[9]
Linien im Spektrum des Randes und den hellen
Linien des Chromosphärenspektrums;
30
die gesetzmässigen Verzerrungen der Li-
nien im Fleckenspektrum bei radial gestelltem Spalt, Erscheinungen welch sich mit
Hilfe des Dopplerprinzips als Folgen radialer Ausströmung nur sehr unbefriedi-
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