D O C U M E N T 7 1 J U L Y 1 9 2 0 3 3 1
71. To Edouard Guillaume
[Berlin, 4 July 1920]
Lieber Guillaume!
Mein Verhalten muss Ihnen unfreundlich und unkollegial erscheinen; es ist als
wenn ich Sie durch Schweigen verurteilen
wollte.[1]
In Wahrheit ist es aber ganz
was anderes. Ich habe oft versucht, Ihre Aeusserungen zu begreifen, bin aber im-
mer absolut gescheitert. Wenn ich nun Grossmann geschrieben habe, es sei
Unsinn,[2]
so ist dies zu verstehen inbezug auf mich, oder besser auf den eben vor-
handenen Zustand meines Gehirns; Unsinn nennt man eben, was man nicht begrei-
fen kann, ein anderes Kriterium gibt es nicht. Nun müssen Sie mich umsomehr ent-
schuldigen, als es auf mich Armen Abhandlungen und Manuskripte regnet wie
Peitschenhiebe auf einen
Droschken-Gaul.[3]
Nun da Sie mich aber so energisch
packen bleibt mir nichts übrig als Aufkläru[ng] zu versuchen durch wiederholte
Korrespondenz an Hand der kleinen mitgesandten
Notiz[4]
und Ihres Briefes.
Sie sagen seien Perioden von Uhren, also Dinge, nicht Zahlen und
schreiben[5]
Sind das irgendwie symbolische Gleichungen? Als Gleichung zwischen Zahlen
kann ich es nicht auffassen. Deshalb verstehe ich alles Folgende nicht und denke
einstweilen, dass Sie sich einer unerlaubten Mystik hingegeben haben, indem Sie
vergessen haben, dass Gleichungen von Zahlen handeln. Wenn ich von „Länge l“
oder „Periode einer Uhr rede, so meine ich immer damit „Masszahl l der Länge
bei Messung mit gegebener Einheitslänge“ bezw. „Masszahl der Periode bei
Messung mit gegebener Einheitsuhr“.
Erst wenn Sie mir diese Verdauungsbeschwerde beseitigt haben, kann ich weiter
nachdenken. Sie, die alten Kollegen und Ihre Frau grüsst herzlich Ihr alter
Einstein.
ALS. Genovesi 2000, pp. 92–93. [79 005]. Einstein had a typed copy of this letter made [11 537],
apparently for his own records.
[1]In Doc. 68, Guillaume had demanded a publishable reply from Einstein to the critique of the the-
ory of relativity which he had advanced.
[2]In February, Einstein had called Guillaume’s most recent paper (probably Guillaume 1920a)
“stupid” (“blöde”; see Einstein to Marcel Grossmann, 27 February 1920 [Vol. 9, Doc. 330]). A news-
paper article by Grossmann of June 1920 repeated this judgment, though in more parliamentary lan-
guage (see Doc. 68).
[3]In Einstein to Marcel Grossmann, 27 February 1920 (Vol. 9, Doc. 330), and in many other places
in Vol. 9, Einstein complained of being overwhelmed by correspondence and other duties.
[4]Guillaume 1920b.
[5]In the following equation, which features prominently in all of Guillaume’s publications of this
period, he intends to illustrate how two clocks with different periods indicate that different numbers
of temporal units have elapsed when measuring the same time interval. Guillaume claims that time
=
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