2 0 V O L U M E 5 , D O C U M E N T 3 7 4 a
Vol. 5, 374a. To Heinrich Zangger
Prag, 17. III. [1912]
Lieber Freund!
Seien Sie nicht bös, weil ich so wenig schreibe. Ich stecke bis über die Ohren in
dem Problem der Gravitation, sodass ich nicht die Energie aufbringe, einem Brief
zu schreiben. Kennen Sie diesen Zustand nicht? Ich glaube kaum! Sie sind ein zu
energischer Kerl und haben sich nicht so verwöhnt. Aber die Sache geht gut, es
kommt Licht hinein.
Es wird schön, wenn wir beide auf dem Zürichberg wohnen. Ich komme nicht
vor meinem Umzug nach Zürich, um Wohnung zu
suchen.[1]
Wenn wir nach Zürich
kommen, geben wir unsere Sachen zum Aufheben und bleiben so lange in einer
Pension, bis wir eine passende Wohnung gefunden haben. (Nummen nüt gsprengt,
sagen die
Berner)[2]
Es thut mir so leid, dass Sie sich immer mit dem Medizinerpack zu ärgern
haben.[3]
Wenn ich Ihnen nur etwas von meiner Wurstigkeit abtreten könnte. Ich
habe gegenwärtig einen scheusslichen Streit mit Nernst, der gleichzeitig sehr be-
leidigt und unverschämt ist, hauptsächlich, weil ich es wage, sein heiliges Wärme-
theorem
anzuzweifelen.[4]
Er schrieb mir z. B., dass er und seine „hoch begaben“
Schüler sich über die Oberflächlichkeit meiner letzten Arbeiten wundere, und dass
er mir als älterer Kollege den väterlichen Rat gebe etc. etc. Ich antwortete mit dem
Rat, dass er und seine hoch begabten Schüler ihre Zeit nicht mit dem Zeug zu ver-
lieren brauchten, dass ich es aber trotzdem schreiben würde. Anfangs April gehe
ich nach Berlin, um mit mehreren dort, wenn es möglich ist, auch mit Nernst (aber
nur in Gegenwart dritter) wissenschaftliche Sachen zu
besprechen.[5]
Zugleich be-
suche ich dort einen alten
Onkel.[6]
Es grüsst Sie herzlich Ihr
Einstein
Beste Grüsse an Ihre Frau und Heller, auch beste Grüsse von meiner Frau an Sie,
ihre Frau & Heller. Letzterem gratuliere ich bestens zum bestandenen Examen. Ich
habe es hier in der „Bohemia“ gelesen. Kollege Ehrenfest war bei
mir.[7]
Er ist ein
hoch intelligenter theoretischer Physiker. Er wird sich am Polytechnikum habilitie-
ren. Falls Debije fortgeht, wäre er eine vorzügliche Kraft für die
Universität.[8]
Ich
würde ihn am liebsten hier als Nachfolger sehen. Aber seine fanatische Konfessi-
onslosigkeit macht dies
unmöglich.[9]
ALS (SzZ, Nachl. H. Zangger, box 1a). [87 052].
[1]Einstein, then teaching at the German University of Prague, had been appointed Professor of
Theoretical Physics at the Swiss Federal Institute of Technology in Zurich on 30 January 1912. He
departed from Prague for Zurich on 25 July 1912.
[2]A phrase meaning “never rush,” in the dialect of Bern, Switzerland.
[3]On Zangger’s difficulties with his colleagues, see the previous document.
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