DOCUMENT 71 AUGUST 1900 253 mit Papa die biedern Kanonen losschießen. Letzterer versprach mir in seinem letzten Brief, mit mir Venedig zu besuchen, da es von unsern Centralen nicht weit dorthin ist.[2] Ich möchte mich gern auch ein wenig in den Verwaltungs- dienst einweihen lassen, damit ich Papa vielleicht im Notfall ersetzen könne. Auch er erwähnt Dich nicht mehr. Ich hätte besser gethan, Schatz, wenn wir alles unter uns gelassen hätten und ich die Alten vertröstet hätte. Doch schadet es gar nichts mein lieber Schatz, Papa und Mama sind große Phlegmen und haben am ganzen Leib weniger Starrsinn als ich am kleinen Finger. So sehr mich mein altes Zürich wieder anheimelt, so sehr fehlst Du mir, meine kleine, liebe "rechte Hand". Ich mag hingehen, wo ich will-ich gehöre doch nirgends hin un ich vermisse zwei Ärmchen und das glühende Mäulchen voll Zärtlichkeit und Puzerline. Wie hab ich die katholischen Geistlichen bemitleidet, die in Melchthal waren![3] Die Dimensionen meiner zarten Füßchen schicke ich Dir ein andermal,[4] jetzt sollst Du nicht schon wieder zu krabbeln anfangen. Dafür ab kriegst Du für Deinen Henneneifer ein tüchtiges Puzerline!-Doch nun zur Ausrede. Vorgestern Abend erhielt ich von Ehrat eine Karte, in der er mir schreibt, daß er mich zu einer Aushilfsstelle am Versicherungsbureau vorgeschlagen habe, wo er gegenwärtig arbeitet. Man kriegt 8 fr. per Tag & hat 8 Stunden blöder Packträgerarbeit. Ich habe aber abgelehnt, in der Meinung, daß ich die Zeit der Ferien besser verwenden könne. Solchen Verdummungsgelegenheiten muß man aus dem Wege gehen. Nun bleibe ich hier um zu sehen, wie sich die Sache macht, und um meine "geschäftlichen und politischen" Angelegenheiten endlich zum Klappen zu bringen. Unter Ehrats Konkurrenz soll sich auch Matter befinden, dessen eventuelle Wahl mir die Stelle bei Hurwitz eintrüge.[5] Also nur Mut Hexchen! Ich kanns gar nicht erwarten, bis ich Dich wieder herzen und drücken und mit Dir leben kann. Und lustig werden wir drauf los arbeiten und Geld haben wie Mist. Und wenns nächstes Frühjahr schön ist dann holen wir Blumen im Melchthal Sei mir innigst geküßt von Deinem Albert. ALS (CLE). [1] Dated by the reference in the preceding letter to Einstein's return to Zurich and the references in this letter and in Doc. 69 to his trip to Italy. [2] The plants were located in Canneto sull'Oglio (see Doc. 44, note 1) and Isola della Scala (see Extract from Act of Concession, 11 April 1900, IIS-Ar, records of the Communal Secretariat). [3] A Benedictine convent is located in Melchtal. [4] See Doc. 75. [5] Karl Matter (see Doc. 69, note 7).
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