lxii BEITRAG FÜR SEIN LEBENSBILD Resultaten überkam den Knaben ein grosses Glücksgefühl, & schon jetzt war er sich des Weges bewusst, den ihn seine Fähigkeiten wiesen. Gleichzeitig erwachte in ihm auch der philosophische Geist. Ein armer jüdischer Medizinstudent[52] polnischer Nationalität, dem die jüdische Ge- meinde einen Freitisch in der Familie Einstein verschafft hatte, gab ihm den Anstoss dazu & vergalt auf diese Weise reichlich mit geistiger Anregung, was ihm an materieller Wohltat zukam. Dieser führte den Knaben in die Welt des philosophischen Denkens ein.[53] Er durchsprach mit ihm alle von dem wissensdurstigen Jüngling aufgeworfenen Fragen & empfahl ihm Lektüre naturphilosophischer Bücher ("Kraft u. Stoff" von Büchner, "Kosmos" von Humboldt, die naturwissenschaftlichen Volksbücher von Bernstein u.a.).[54] Er ging im übrigen trotz des Altersunterschiedes mit dem Knaben um, wie ein Kamerad mit dem Kameraden. Gab die Art des Onkels Jakob durch neckende Zweifelsucht am Können stets neuen Ansporn, u. sahen die Gym- nasiallehrer pedantisch mehr auf das prompte Wissen als auf die Fähigkeit des Suchens u. Nachdenkens, so bot im Vergleich zu diesen der einsichtsvollere Medizinstudent dem jungen Albert weit mehr. Denn er setzte seine ganze Persönlichkeit ein, um auf alles was den Knaben beschäftigte, einzugehen. Dies geschah in der so wichtigen Altersperiode, wo das Kind zum denkenden Menschen reift. Dadurch wurde sein wissenschaftliches Interesse erweitert er ging nicht mehr allein in der Mathematik auf, sondern begann bereits sich mit den Grundfragen der Naturwissenschaften überhaupt zu beschäftigen. Als einzige Zerstreuung diente ihm die Musik. Er spielte auf der Violine bereits die Mozart- u. Beethovenschen Sonaten, wobei ihn die Mutter auf dem Klavier begleitete. Auch setzte er sich selbst ans Klavier, um in meist gebrochenen Akkorden voll weicher Innigkeit stets neue Harmonien u. Ubergänge eigener Erfindung zu suchen. Und doch ist es eigentlich unrichtig zu sagen, dass ihm [52] Max Talmey (1869-1941), published an account of his friendship with the young Einstein (Talmey 1932, pp. 159-166). He states that his brother Bernard, who had known the Einsteins for two years, introduced him to the family in the late fall of 1889. [53] Talmey first introduced Einstein to Kant's Kritik der reinen Vernunft when Einstein was 13 (Talmey 1932, p. 164). Ein- stein's study of Kant was also recalled by one of his Munich schoolmates (Fritz Genewein to Einstein, 23 October 1924). For evidence of Einstein's early interest in philosophical ques- tions, see Doc. 4. [54] Büchner 1855, Humboldt 1845-1862, and Bernstein 1853-1857 all went through numerous editions in the second half of the nineteenth century (it is not known which editions Einstein read). Talmey states that he gave Einstein copies of Büchner's and Bern- stein's books (Talmey 1932, p. 162). He states that, when they met, Einstein already "showed a particular inclination toward physics and took pleasure in conversing on physical phenomena" (ibid.).
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