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bringt— was noch viel schwerer ist—das Futter auf. Ohne sie könnte ich mich hier
nicht
halten.[4]
Plagen Sie sich einstweilen nicht mehr für mich; wenn es wirklich
dringend ist, d. h. wenn nichts mehr für mich aufzutreiben ist, werde ich Sie wieder
bitten, aber vorher nicht. Ich weiss, wie wertvoll Ihre Stunden sind. Und endlich
bleibt mir ja die Flucht in die Schweiz übrig. Hoffentlich werden dort die Umstän-
de nicht so hart werden wie
hier![5]
Geärgert hat mich hier niemand; ich werde im
Gegenteil von allen verwöhnt, geradezu verehrt, sodass ich höchstens Gefahr laufe,
Selbstkritik und Bescheidenheit zu verlieren.— Nun kommt die Hauptsache. Mei-
ne Frau und Tete sind
tuberkulös.[6]
Ich habe Angst, dass auch mein Albert ange-
steckt werden könnte, und diese Angst lässt mir keine Ruhe. Kinder sind niemals
vorsichtig. Ich möchte Albert zu mir nehmen und ihn selbst
unterrichten.[7]
Denken
Sie, was ich dem Jungen für wertvolle Anleitung geben könnte. In Sprachen liesse
ich ihn von Lehrern unterrichten. Ich glaube, dass dies herrlich wäre für den Jun-
gen. Der Haushalt in Zürich würde dann vielleicht am besten aufgelöst, und meine
Frau und Tete könnten nach ärztlichen Gesichtspunkten untergebracht werden.
Mein armer Kleinster, den ich so unsagbar liebte wird mir nun wohl bald ganz ge-
nommen werden. Besser tot als ewig leidend! Gerechte Strafe für meinen
Leichtsinn![8]
Fänden Sie es nicht auch richtig, wenn ich meinen Albert zu mir näh-
me? Er käme natürlich hier in keine Schule, sodass ihm Berlin nichts schaden wür-
de. Er wäre immer unter meinen Augen. Ich lese mit ihm Geschichte, treibe mit
ihm Mathematik, Physik, Chemie und manches andere, was ich selbst erst lernen
müsste zu dem Zweck. Jeden Tag 3 Stunden. Dazu einen Spaziergang. Wie denken
Sie darüber? Über die Behandlung meines armen Kleinen verfügen Sie mit
Bernstein[9]
nach Ihrer Meinung 400 fr. sind für diesen Zweck an Sie abgegangen.
Besso hat mir selbst geschrieben; ich werde ihm bald
antworten.[10]
In persön-
lich menschlichen Dingen wende ich mich nicht gerne an ihn; weil ihn die mensch-
lichen Dinge schrecklich beelenden.
Herzliche Grüsse von Ihrem
Einstein.
Wann soll ich wohl in die Schweiz kommen? Soll ich das Öl, wenn es kommt, trotzt
dem oben mitgeteilten einnehmen? Soll ich Boas davon
berichten?[11]
Ich kann
Teile Ihrer Briefe oft nicht lesen trotz vieler Mühe, die ich mir gebe; seien Sie mir
nicht böse, aber ich muss dies unbedingt sagen, da daraus Übles entstehen könnte.
Gestern sprach ich eingehend mit einer Frau, die sicher an Gallensteinen leidet.
Dabei wurde ich doch überzeugt, dass Boas ganz recht hat mit seiner Diagnose.
Meine Schmerzen sind richtige Gallenstein choliken. Seit der Kur ist die Sache
nicht mehr aufgetreten (4 Wochen). Ich bin begierig, ob Sie meine Pläne mit Albert
vernünftig finden; ich bin fest durchdrungen von der Überzeugung, dass ich es gut
machen
würde.[12]
Vielleicht würde auch meine Frau dem Plane zustimmen; sie
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