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gungen könnten die verschiedenen Invarianten der Weylschen Theorie prinzipiell
ununterscheidbar bleiben?— Wie öfters gesagt, ich sollte das Maul halten: weiss
ich ja nicht einmal was für ein prinzipiell beobachtbarer Unterschied besteht zwi-
schen Gravitationsrotverschiebung und „Rotverschiebung im elektrischen
Felde“[8]
wenn es wirklich so etwas gibt. Dass hier ein Loch in meinen Anschau-
ungsversuchen ist, geht schon daraus hervor, dass mir diese Anschauungsversuche
naheliegen würden, eine Rot- bezw. Blauverschiebung zwischen den Enden einer
elektrischen Kraftlinie (bei quasi-stationärem Weltinhalt—und was im allgemei-
nen Fall?) zu erwarten, also eine blosse Potentialwirkung, wie bei der Gravitation,
während doch Weyl und Du darin einig seid, dass diesbezüglich eine fortschrei-
tende Änderung zu erwarten ist. Oder sollte diese nur bei nicht von einem Potential
ableitbaren Feldern in Betracht kommen? Mit dem Nichtstrahlen des rotierenden
Elektrons zusammenhängen können!?— Je leerer der Kopf desto wilder die Spe-
kulation.
Für heute: Prosit Neujahr 1921. Dein
Michele.
Ich kann vielleicht einige Mark aus D’land in Form von Büchern erhalten. Ich
möchte nur Borns Relativitätstheorie, Nernsts kleine zusammenfassende Schrift
über sein Wärmetheorem (genauer Titel?), Sommerfelds Atombau, Borns Atom-
bau (?genauer Titel?), Riemann/Weyl, kommen
lassen.[9]
Was könnte man wohl
noch Schönes zum Leben (oder zum zum Lesen geben …) kommen lassen?
Noch rechtzeitig vor Briefschluss. Vero hat sich verlobt (mit einem guten Mäd-
chen, das auch wir schon lange
kennen.[10]
Die dunkelste Stelle ist die wirt-
schaftliche Frage, denn er steckt ja noch auf lange in den Studien. Im [ü]brigen sind
wir froh.
ALS. Einstein/Besso 1972, pp. 160–161. [7 073].
[1]Einstein 1920j.
[2]“I could not have found a better sounding board in the whole of Europe,” Carl Seelig quotes Ein-
stein’s characterization of Besso’s role in helping his scientific efforts (“Einen besseren Resonanz-
boden hätte ich in ganz Europa nicht finden können.”; Seelig 1960, p. 120; English from Seelig 1956,
p. 71).
[3]After having spent two years in Rome to catalogue his uncle’s library, Besso returned to Zurich
in 1920 and was rehired at the Swiss Patent Office by its director, Friedrich B. Haller (1844–1936)
(see Einstein to Heinrich Zangger, 24 December 1919 [Vol. 9, Doc. 233]).
[4]Maja Winteler-Einstein.
[5]Einstein was negotiating a lecture tour with two American universities (see Doc. 210).
[6]Hermann Weyl.
[7]Bernhard Riemann.
[8]The optical Doppler effect had already been observed by Johannes Stark.
[9]Born 1920a, Nernst 1918, Sommerfeld 1919, Born 1915, and Riemann 1919, the republication
of Riemann’s Habilitationsvortrag of 1854 (published in 1867), edited with a commentary by Her-
mann Weyl.
[10]Vero Besso, 22, was studying law at the University of Bern. His fiancée was Lydia Brönnimann.
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