DOC.
23 MAX PLANCK AS SCIENTIST
561
DIE
NATURWISSENSCHAFTEN
1.
Jahrgang.
7.
November
1913.
Heft
45.
[1]
Max Planck
als Forscher.
Von Prof.
Dr.
A.
Einstein, Zurich.
Für
das Studienjahr
1913-14
ist das
Rektorat
der
Berliner Universität
in die
Hände
des
theore-
tischen
Physikers Max
Planck
gelegt
worden. Diese
Gelegenheit wollen
wir nähere und fernere
Kollegen
mit Freuden
wahrnehmen,
um uns
dankbar der Er-
rungenschaften
zu
freuen, welche die
Wissenschaft
seinem
Schaffen verdankt.
Max
Plancks
erste selbständige
Arbeit
war
seine
lnauguraldissertation "Uber den zweiten Haupt-
satz
der
mechanischen
Wärmetheorie",
die
i.
J.
1879
der damals
21jährige
der Münchener Univer-
sität
vorlegte.
Es ist
charakteristisch, daß
Planck
seine publizistische Tätigkeit
mit der
Behandlung
eines
Themas
von
solcher Allgemeinheit begann,
um
dann
in
den
folgenden
Jahren
zur
Bearbeitung
speziellerer Fragen überzugehen, die sich
zwang-
los
an
jene ersten Untersuchungen
anschließen
ließen.
Es ist
dies
für seine
ganze
Arbeitsweise,
vielleicht
überhaupt
für
die Methode des
reinen
Theoretikers charakteristisch. Stets
geht
er von
einem
Satze
von
möglichster Allgemeinheit
aus
und deduziert daraus
die
einzelnen
speziellen
Er-
gebnisse,
um
diese mit der
Erfahrung
zu ver-
gleichen.
Plancks
erste große
wissenschaftliche
Leistung
ist die
dritte
seiner "Uber das Prinzip
von
der
Ver-
mehrung
der
Entropie"
betitelten Arbeiten
(Wied.
[4]
Ann. XXXII,
1887,
S. 462), in welcher die
allge-
meine
Theorie
des
chemischen
Gleichgewichtes
mit
besonderer Berücksichtigung der verdünnten
Lösungen
behandelt wird. Die
allgemeinen
Resul-
tate jener Abhandlung
waren
allerdings schon
mehr
[5]
als 10
Jahre früher
von
Gibbs abgeleitet
worden
und
die auf verdünnte
Lösungen sich
beziehenden
[6]
zum
Teil
von
van't
Hoff. Aber Gibb's
Arbeiten
waren
wenig
bekannt und
schwer zugänglich;
es
war
schon
eine
Leistung,
ihren Wert
zu
erkennen,
ja,
ich glaube
sogar,
daß
Planck
wie
fast alle
andern
an
Gibbs'
Werk verständnislos
vorbeigegangen wäre,
wenn er
nicht
selbständig einen
ähnlichen
Weg
ein-
geschlagen
hätte. Der
große
Wert der
angeführten
Arbeit Plancks
liegt
darin,
daß
er
einige wenige
Formeln
über das Gleichgewicht verdünnter Lösun-
gen
aufstellte
von
solcher Allgemeinheit, daß in
ihnen alle Gesetzmäßigkeiten
enthalten
sind, welche
überhaupt
auf
thermodynamischem Wege
über
ver-
dünnte
Lösungen abgeleitet
werden können. Auf
Grund seiner
allgemeinen
Formeln
schloß
Planck
[8]
als erster, also
vor
Arrhenius, daß in wässerigen
Lösungen
von
"abnorm
hoher"
Dampfdruckernie-
drigung
(resp. Gefrierpunktserniedrigung oder
Siedepunktserhöhung)
der
gelöste
Stoff dissoziiert
sein müsse.
In Plancks
allgemeinen
Formeln
steckt
das
sogenannte
Ostwaldsche
Verdünnungsgesetz
[9]
für binäre
Elektrolyte als
ganz
spezieller
Fall.
Von
den
speziellere
Fragen
auf
thermodyna-
mischem Gebiete behandelnden Arbeiten Plancks
wollen
wir hier nicht reden.
Dagegen
dürfen wir
eine
1896 in Wied.
Ann.
Bd. 56
erschienene
pole-
mische
Arbeit Plancks
"Gegen die
neuere
Ener-
getik"
nicht unerwähnt
lassen, weil sie zweifellos [10]
einen bedeutenden Einfluß auf
die
Fachkollegen
ausübte. Es ist
dies ein
meisterhaft
geschriebener
kurzer
Aufsatz,
in
dem gezeigt
wird,
daß die
Ener-
getik als
heuristische
Methode wertlos
ist, ja, daß
sie
sogar
mit unhaltbaren
Begriffen operiert.
Jeder
Freund sauberen wissenschaftlichen Denkens kann
sich durch Lektüre
dieses
frischen Aufsätzchens
entschädigen
für
den Ärger, den
er
beim Lesen
von
Abhandlungen
der
hier
bekämpften
Art
wohl
nicht unterdrücken konnte.
[11]
Im Jahre
1896
wandte sich Planck der Strah-
lungstheorie
zu.
Es ist
allgemein bekannt, daß
seine
[12]
Arbeiten auf
diesem
Gebiete
von
mächtigem
Ein-
fluß auf
die
gegenwärtige Entwicklung
der
Physik
gewesen
sind. Die
großen Fortschritte, welche die
letzten Jahre auf
dem
Gebiete der
Wärmelehre
ge-
macht worden
sind, wären ohne
jene
Arbeiten
kaum erzielt worden. Jener
ganze
Komplex
von
Resultaten,
theoretischen
Vorstellungen
und Pro-
blemstellungen,
welcher
heute
dem Physiker
auf-
taucht,
wenn er
das
Wort
"Quanten" hört,
welcher
ihm
das
Dasein belebt und
zugleich
so
schwer
macht,
ist
aus
jenen
Arbeiten
herausgewachsen.
[13]
Um
Plancks
Leistungen
auf
diesem
Gebiete
zu
würdigen, müssen
wir einen
flüchtigen
Blick auf
die Entwicklung
der
Strahlungstheorie
werfen.
Jeder
Körper
sendet
Wärmestrahlung
aus.
Be-
findet
sich
in einem
undurchsichtigen
Körper
ein
Hohlraum,
so
wird dieser
infolgedessen beständig
von
Wärmestrahlung durchsetzt.
Kirchhoff
fand
in den sechziger
Jahren
des vorigen
Jahrhunderts
durch einfache
thermodynamische Überlegungen,
daß diese Strahlung
nach allen
Richtungen gleich-
mäßig sein
muß,
und
daß deren Beschaffenheit
von
gar
nichts
anderem abhängen
könne
als
von
der
Temperatur des den
Hohlraum
begrenzenden
Körpers.
Bezeichnet
man
also mit [14]
u
d
v
die Strahlungsenergie
vom
Frequenzbereich d
v,
welche in
der Volumeneinheit enthalten
ist,
so
ist
u
(die monochromatische Strahlungsdichte)
nur
von
der absoluten
Temperatur T
und der
Frequenz
v
abhängig, völlig
unabhängig
aber
von
der
physika-
lischen und
chemischen Natur der
den
Hohlraum
einschließenden Wände.
u
(v, T)
ist
also,
wie
man
sich
ausdrückt,
eine universelle
Funktion der
beiden Variabeln
v
und
T,
deren
Ermittlung
die
wichtigste experimentelle und
theoretische
Aufgabe
der
Strahlungslehre
bildet. Auf rein
thermodyna-
mischem
Wege
konnte über
diese
Funktion zunächst
nichts ermittelt werden.
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