574 DOCUMENT 489 DECEMBER 1913 chen schmerzlichen Ehrgeiz. Es ist ein übler Geselle schmeiss ihn hinaus! Meine Frau wird wohl um Neujahr zu Habers gehen.[3] Sie ist eine unfreund- liche humorlose Kreatur, die selbst nichts vom Leben hat und anderer Freude am Leben durch ihre blosse Anwesenheit untergräbt (malocchio!).[4] Ich habe ihr gesagt, sie kann sich gegenüber Euch stellen, wie sie will. Meinetwegen braucht sie Euch nicht einmal aufzusuchen. Je weniger persönliche Reibe- reien deste besser. Du könntest hier wohl schon einen Vortrag halten. Aber ich darf, gerade weil mein Name etwas gilt, nicht Schritte dafür thun. Die namhafteste litera- rische Gesellschaft ist der Lesezirkel Hottingen", an den Du schreiben kannst.[5] Bei dem Verein stehe ich nicht im guten Ansehen, weil ich trotz wiederholter Einladung nicht Mitglied geworden bin.[6] Ich kenne auch per- sönlich niemand von den massgebenden Leuten, wie ich es überhaupt immer gescheut habe Menschen kennen zu lernen, wenn dies nicht nötig war. Leider ist Habers Bild überall zu sehen.[7] Es schmerzt mich jedesmal wenn ich dran denke. Leider muss ich mich damit abfinden, dass dieser sonst so prächtige Mensch persönlicher Eitelkeit verfallen ist, und zwar sogar nicht einmal von der geschmackvollsten Art. Dieser Mangel an persönlicher Ge- diegenheit ist eben überhaupt leider Berliner Art. Wenn diese Leute mit Fran- zosen und Engländern zusammen sind, welcher Unterschied! Wie roh und primitiv sind sie. Eitelkeit ohne echtes Selbstgefühl. Civilisation (Schön ge- putzte Zähne, elegante Kravatte, geschniegelter Schnauz, tadelloser Anzug) aber keine persönliche Kultur (Rohheit in Rede, Bewegungen, Stimme, Emp- findung). Nun will ich ja gerne zugeben, dass die beiden Dinge nicht unvereinbar sind. Aber wenn ich anfange, mich körperlich zu pflegen, dann bin ich nicht mehr ich selber. Also für mich wäre es der Anfang einer (Gottseibeimir) Ver- berlinerung. Also zum Teufel damit. Wenn ich Dir so unappetitlich bin, dann such Dir einen für weibliche Geschmäcker geniessbareren Freund. Ich aber bewahre mir meine Indolenz, die schon den Vorteil hat, dass mich mancher Fatzke" in Ruhe lässt, der mich sonst aufsuchen würde. Also mit kräftigem Fluch und einer Kusshand aus appetitlicher Distanz Dein ehrlich dreckiger Albert. ALSX. [72 303]. [1]This letter is dated by the reference to LÖWENTHAL'S poetry recitation. [2]With a poetry recitation held on 2 December in the Künstlerhaus in Berlin (see Berliner Tageblatt 42 [9 November 1913], no. 571, 11. Beiblatt, p. 4, and Berliner Tageblatt 42 [16 No- vember 1913], no. 584, 11. Beiblatt, p. 2). [3]Mileva Einstein-Marid stayed with Fritz and Clara Haber while searching for an apart- ment in Berlin.
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