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Diese Konsequenz ist in doppelter Beziehung von grosser Bedeutung. Erstens
nämlich liefert sie ein der Beobachtung zugängliches Kriterium der Theorie. Es er-
gibt sich nämlich durch einfache Umrechnung, dass ein an einem Himmelskörper
von Sonnengrösse vorbeistreichender Lichtstrahl eine Ablenkung von der Grössen-
ordnung einer Bogensekunde erfahren muss. Dies Ergebnis ist es ja, welches die
beiden englischen Expeditionen im verflossenen Jahre bestätigt haben. Doch sei
hier darauf hingewiesen, dass diese einfache Betrachtung numerisch nur die Hälfte
des thatsächlichen Wertes der Ablenkung
liefert.[43]
Es hängt dies damit zusam-
men, dass das Gravitationsfeld nach der allgemeinen Relativitätstheorie nicht ein-
fach durch ein Vektorfeld sondern durch ein formal komplizierteres Gebilde darge-
stellt wird, sodass die Übertragung von dem Falle des inbezug auf herrschenden
Parallel-Feldes auf den Fall des kugelsymmetrischen Feldes eines Himmelskörpers
nicht so einfach ist, als es zunächst scheint. Dies wird später klar werden.
Zweitens aber zeigt diese Konsequenz, dass das Gesetz von der Konstanz der
Lichtgeschwindigkeit gemäss der allgemeinen Relativitätstheorie nicht mehr gilt in
Räumen, die Gravitationsfelder aufweisen. Denn Krümmung der Lichtstrahlen fin-
det—wie eine einfache geometrische Überlegung zeigt, nur in Räumen statt, in de-
nen die Lichtgeschwindigkeit räumlich veränderlich ist. Hieraus geht hervor, dass
das ganze Begriffs-System der speziellen Relativitätstheorie exakt nur für solche
zeit-räumliche Gebiete Gültigkeit beanspruchen kann, in denen Gravitationsfelder
(bei passend gewähltem Koordinatensysteme) fehlen. Die spezielle Relativitäts-
theorie bezieht sich also nur auf einen nirgends genau realisierten Grenzfall der
wirklichen Welt. Trotzdem hat dieser Grenzfall für die allgemeine Relativitätstheo-
rie fundamentale Bedeutung; denn die Thatsache, von der wir ausgingen, dass
nämlich für einen frei fallenden Beobachter in seiner unmittelbaren Umgebung
kein Gravitationsfeld existiert, zeigt, dass in der Umgebung eines jeden Weltpunk-
tes für ein passend gewähltes lokales Koordinatensystem die Ergebnisse der spezi-
ellen Relativitätstheorie (im Unendlichkleinen) gelten.
Dieser Zusammenhang wird durch einen geometrischen Vergleich aus der Flä-
chentheorie illustriert, der für die áAuffindungñ Durchführung der Theorie von
massgebender Bedeutung gewesen
ist.[44]
Die metrischen Beziehungen in der Ebe-
ne werden durch die zweidimensionale euklidische Geometrie beschrieben; d. h.
man kann mit Zirkel und Lineal die Konstruktionen der euklidischen Geometrie in
der Ebene ausführen, derart, dass der (in bestimmter Weise eingestellte) Zirkel die
Rolle der Strecke, das Lineal die Rolle der geraden Linie, spielt. Will man aber statt
auf einer Ebene auf einer krummen Oberfläche, z. B. auf einer Kugelfläche oder
einem Ellipsoid Geometrie treiben, so gelten für die mit dem Zirkel (und einem der
Fläche sich anschmiegenden Lineal) auch gewisse Konstruktionsgesetze, die
jedoch nicht mehr durch die euklidische Geometrie von zwei Dimensionen
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K′
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