DOCUMENT 65
MARCH
1915
103
65.
To
Romain Rolland
Berlin. 22. März
15.
Hoch
verehrter
Herr![1]
Durch die
Tageszeitung
und durch meine
Beziehungen
zu
dem hoch verdienst-
lichen Bund
"Vaterland"
habe
ich davon Kenntnis
erhalten,
wie mutvoll Sie für die
Beseitigung
der
so
verhängnisvollen
Missverständnisse zwischen dem französi-
schen
und deutschen Volke Ihre Existenz und
Person
eingesetzt
haben.[2] Es
drängt
mich
dazu,
Ihnen meine restlose
Bewunderung
und
Hochschätzung auszuspre-
chen!
Möge
Ihr
herrliches
Beispiel
andere
treffliche Männer
aus
der
mir
unbegreif-
lichen
Verblendung
aufwecken,
die wie eine tückische
epidemische
Krankheit
auch
tüchtige
und
sonst
sicher
denkende
und
gesund
empfindende
Männer
gefes-
selt hat! Sollen wirklich
spätere
Jahrhunderte
unserem Europa
nachrühmen,
dass
drei Jahrhunderte
emsigster
Kulturarbeit
es
nicht
weiter
gefördert
hätten als
vom
religiösen
Wahnsinn
zum
nationalen
Wahnsinn?
Sogar
die Gelehrten
der
verschie-
denen
Länder
geberden
sich,
wie
wenn
ihnen
vor (einem) 8
Monaten das Grosshirn
amputiert
worden
wäre.[3]
Ich stelle Ihnen meine schwachen Kräfte
zur Verfügung
für den
Fall,
dass Sie
denken,
dass ich Ihnen sei
es
durch meinen
Wohnsitz,
sei
es
durch meine Bezie-
hungen
zu
deutschen
und ausländischen
Vertretern der exakten
Wissenschaften,
als
Werkzeug
dienen kann.
In
aufrichtiger Verehrung
Ihr
ganz ergebener
A. Einstein.
Wittelsbacherstr
13.
Mitgl.
d.
preuss.
Akad.
d.
Wissensch.
P.
S.
Wenn Sie in der
Schweiz,
meiner
Heimat,
der
Hilfe eines in allen
dortigen Ver-
hältnissen erfahrenen Mannes
oder
eines
herzerquickenden persönlichen Umgan-
ges ermangeln sollten, so nenne
ich Ihnen Herrn Prof.
Zangger, Bergstr. Zürich,
Prof.
d.
gerichtl.
Medizin
an
der
dortigen
Universität.[4]
ALS
(FPBN,
Fonds R.
Rolland
65/1). [84 165].
The
envelope
is addressed "Herrn
Romain
Rollands
Schriftsteller
z.
Z. in
Genf
Schweiz.,"
with return address "Abs. Prof. Einstein
Wittelsbacherstr
13
Berlin-Wilmersd.,"
and
postmarked
"Berlin-Wilmersdorf
1
22.3.15.
2-3N[achmittags]."
[1]The
most
prominent pacifist
of
his
generation,
Romain Rolland (1866-1944),
a
French
national,
had resided in Switzerland since
May
1914,
and since
October
was working
with
the
International
Agency
for Prisoners
of
War
of
the International Committee
of
the Red Cross
(see
Starr
1956,
pp.
25-
26).
[2]Einstein and
Elsa Einstein had
attended
a meeting
of
the Bund "Neues Vaterland"
(BNV) as
guests a day
earlier
(see
minutes
of
the
meeting
of
21
March
1915,
Gy-Ar,
Nachlaß Hans
Wehberg,
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