616 DOCUMENT 443 JANUARY 1918
mir
häuslich
ein.[2]
Meinem
zur
Einsamkeit
neigenden
Naturel
zu
Folge,
verliess
ich
nur
selten diese meine Arbeitsstätte
um
mit
eigenen Augen
nach
zu
schauen,
was
in den benachbarten Inseln und Continenten
geschehe.
Von
all dem Grossen
und
Schönen
was
dort
geschah,
erhielt ich meistens
nur
schriftliche Kunde.
An
persönlichen Beziehungen,
die bei der
Beurteilung
der obwaltenden
Frage
von
nicht
zu vernachlässigender Bedeutung
wären,
bin ich
so
sehr
arm
geblieben.
Möglich
aber,
dass Ihnen eben diese meine
Unpersönlichkeit zur Beurteilung
vorteilhaft
erscheint,
so
will
ich
denn,
nach reiflicher
Überlegung,
soweit
es
mir
möglich,
meine
Meinung ganz offenherzig darlegen.
Im
strengsten
Sinne des Wortes besteht die
Aufgabe
der
Geodesie,
somit auch
eines
geodetischen
Institutes in Nichts anderem als in der
möglichst genauen
Fest-
stellung
der Niveauflächen irdischer Schwere. Als
solche leistet Sie wertvolle
Dienste der
praktischen Vermessungskunde,
der
Geografie
und der
Astronomie.
Dieser ihrer
abstracten
Aufgabe entsprechend,
bestrebt diese
Wissenschaft,
frei
von
allen ihrem Ziele fernstehenden
Hypothesen,
die
Erreichung grösstmöglicher
Genauigkeit
in
den
Beobachtungen
und einwandfreie
Berechnung
ihrer
Resultate.
Sie ist eine exacte Wissenschaft
von grösster Strenge
und soll
es
auch
immer
blei-
ben.
Doch
glaube
ich
kaum,
dass sich
je
ein Geodete mit den Zahlenreihen seiner
Breiten-
Längen
und
Höhenbestimmungen begnügt
und dass Ihn seine wissen-
schaftliche Phantasie nicht
fortgerissen
hätte auch nach den Ursachen
zu
forschen,
warum
das
von
Ihm
festgestellte
Niveauflächenstück eben diese
Form,
und keine
andere habe. Da vertieft sich das
geistige Auge
in die unerreichbaren Tiefen des
Erdinneren und
es
treten
Fragen
heran die in das Bereich der
Geophysik
und der
Geologie gehören. Hypothesen
und
Analogien geben
hier dem Denkenden das Ge-
leite der
nun
einen Leitfaden
verfolgt,
der verlockend und
vielversprechend
er-
scheinen
mag,
die
Strenge
aber und die Sicherheit der Klassischen Geodesie heute
bei Weitem noch nicht
erreicht,
vielleicht auch
nie erreichen wird.
Soll
aber
deshalb der Geodete solche
Bestrebungen,
als Ihm
lästige
Träumerein
verscheuchen? Soll
er
nicht
vielmehr
mit seinem
Theodolyten
und seinen Messlat-
ten
Grundmauern aufbauen
auf
denen
so
manche Luftschlösser
unserer
kosmi-
schen Kenntnisse
später
einmal festen Fuss
fassen können?
Solche
fragen
bedürfen keiner
langen Erörterung,
denn
wer
zweifelt
daran,
dass
die
Zerspaltung unserer
Naturwissenschaft in
so
viele
Spezialwissenschaften nur
darin ihre
Berechtigung findet,
dass
jede
derselben mit
eigener
Kraft,
mit
eigenen
Mitteln
dem
gemeinsamen
Ziele
der
Erkenntniss
zustrebt,
so
auch
die Geodesie
zum
Aufbaue des Kosmos
jede
ihr
zufallende
Hülfsleistung
darzubieten bereit sei.
Ein
geodetisches
Institut
soll
darum,
darf
darum kein
geophysikalisches
Institut
werden,
es
soll aber seine
Tätigkeit
auch
solchen
geodetischen
Arbeiten
zuwenden,
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