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[2]The manuscript of Mises 1920 (see Doc. 195).
[3]See Doc. 225 in which David Hilbert thanks Einstein for joining the editorial board of the Ma-
thematische Annalen, and Doc. 398 in which Felix Klein expresses the expectation that Einstein
would encourage especially physics publications for inclusion in this journal.
184. To Moritz Schlick
[Berlin,] 1. XII. 19
Lieber Herr Schlick!
Mit Freude gedenke ich der rührenden Sorgfalt, mit der Sie und Ihre heilige Bar-
bara mich während dieser Festtage gehegt und gepflegt
haben.[1]
Dabei weiss ich
noch, dass diese Tage mit warmen Zimmern und üppiger Schlemmerei nicht eine
freundliche Geste sondern eine Kraftleistung, ja eine entsagungsvolle Heldenthat
bedeuten. Denn jetzt sitzen Sie wieder um den einzigen Wärme spendenden Ofen
und die Hausfrau späht sorgenvoll aus nach dem Brot für die nächsten Tage und das
Mehl ist bitter, ohne dass die Maus satt
ist.[2]
Es waren schöne Tage, die ich bei Ih-
nen verbringen durfte, kaum beeinträchtigt durch den feierlichen Excess der alma
mater und die rednerischen Heldenthaten ihrer
Söhne.[3]
Die Reise ging ohne Hindernis von statten. Herr S. war liebenswürd[ig,] hat aber
ausser etwas politischer Routine nichts in seinem
Kopf.[4]
Immerhin mag er recht
damit gehabt haben, dass dies Fest zur Folge haben wird, dass den Rostocker Pro-
fessoren der Brotkorb höher gehängt werden wird. Er ist davon überzeugt, dass
eine konservative Mehrheit nicht mehr eintreten könne, sondern nur allenfalls ein
Anwachsen der konservativen Minderhei[t.]
Hier habe ich alles in Ordnung vorgefunden, bin mit Mühe, aber auch mit Glück
vom Bahnhof nachhause gekommen und habe dor[t] mehrere dickleibige Ma-
nuskripte zur Begutachtung
vorgefunden[5]
und eine solche Menge sonstiger
Pflichten, dass ich nicht restlos zu beneiden bin. Gestern Abend war ich bei einer
Besprechung von Sachverständigen über die wirtschaftliche Lage, in welcher ein
allmählich[er] aber sicherer völliger Zusammenbruch der Wirtschaft prophezeiht
wurde. Die Differenz gegenüber Österreich sei lediglich eine zeitliche. Ich referiere
nur; selber habe ich nicht die fürs Prophezeihen nötige Übersicht, die andern wahr-
scheinlich auch nicht. Immerhin war der Pessimismus allen gemeinsam. Die Tonart
war: vor einem Jahr hätte man doch dieses oder jenes machen können, jetzt aber
allerdings
Mit herzlichem Dank an Sie und Ihre freundliche und fürsolgliche Frau und
Grüssen an Ihre
Kleinen[6]
Ihr
Einstein.
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