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wirklich
Zionist?[3]
Das habe ich nie gehört und würde mich interessieren zu wis-
sen! Leider habe ich nichts von dem Aufsatz des Hr. Holst
erfahren,[4]
der ja jeden-
falls ernsthafter sein würde, als das vorhergehende. Aber da „Politiken“ das Haupt-
blatt hier ist, wurde das Referat viel gelesen und discutiert. Zufällig sprach ich
gerade in den Tagen mit Dr. Kramer, der Assistent bei Prof. Bohr
ist.[5]
Er war sehr
froh Sie in Holland zu treffen und freute sich mit mir über die Sitzung in Eng-
land.[6]
Um der Wissenschaft und um der Gemeinsamkeit des Geistes willen, müs-
sen wir Ihnen, verehrter Professor, ja so dankbar sein! Auch ist die Grosszügigkeit
der englischen Wissenschaft höchst erfreulich! Dieses Erleben wird ja auch Ihrem
„pacifistischen[“] Herzen wohl getan haben. Ich war sehr erfreut Ihren Namen neu-
lich bei der Anwesenheit Paul Colins zu
hören.[7]
Das muss eindrucksvoll gewesen
sein, und es tat mir sehr leid, es nicht miterlebt zu haben. Solche Möglichkeiten und
Ereignisse fehlen mir hier sehr! Nun im Frühjahr hoffe ich wieder „mit“ sein zu
können und auch mit Ihnen lieber Herr Professor, Gedanken über Torheit und Idea-
le der Menschen austauschen zu können! „Ein weites Feld“, wie der alte Fontane
sagt.[8]
Wir erleben hier manches, aus dem verborgenen Winkel heraus, vom Brau-
sen der jetztigen Zeit, entfernter, aber dafür auch objectiver. Mit einem ziemlich
aussichtslosen Telefon-Streik zahlen wir momentan der Zeit ihren Tribut!— Sonst
bin ich weiter der einzig deutsche Vortragshalter hier und unsere schöne Sprache
hat es durch die törichte Politik so weit gebracht, dass sie für viele (natürlich auch
nicht Höhenmenschen!) eine Hinderung ist, sie sonst interessierende Vorlesungen
anzuhören! Um so dankbarer bin ich für den kleinen Kreis, aus dem leider jetzt
mein bestes „Fluidum“, mein Dichterfreund, Sophus Michaëlis, entschwunden ist.
Doch für ihn, den Schaffenden bin ich froh, dass Rom ihn gastfreundlich aufneh-
men
wird.[9]
Kommen Sie nicht einmal her? Prof. Bohr soll so sehr sich Ihre Be-
kanntschaft
wünschen![10]
Er ist tief begeistert von Ihnen!— Hoffentlich wird 1920
ein gesundes und schaffensfreudiges Jahr für Sie, sehr verehrter Herr Professor. Ih-
nen und Frau Elsa wünsche ich immer das aller beste! Mit vielen, freundschaftli-
chen Grüssen an Sie alle bin ich stets Ihre dankbare
Lotte Weigert
Das wäre schön, wenn Sie einmal ein kurzes Lebenszeichen mir geben würden!
ALS. [45 221]. A translation of a Danish-language newspaper article (see note 2) in the hand of Wei-
gert is written at the head of this document [45 220] and omitted.
[1]Charlotte Weigert, née Aronheim, had been a Berlin acquaintance of the Einstein family before
emigrating to Denmark (see Charlotte Weigert to Einstein, 15 May 1918 [Vol. 8, Doc. 539]).
[2]Ibald 1919.
[3]The newspaper article characterized Einstein as a “zealous” (“ivrig”) Zionist.
[4]In all probability Holst 1919. Helge Holst (1871–1944), trained as a physicist, was a librarian at
the Institute of Technology in Copenhagen.
[5]Hendrik A. Kramers (1894–1952) was Assistent at the University of Copenhagen.
[6]The joint session of the Royal Society and the Royal Astronomical Society held on 6 November
1919, at which the final results of the British eclipse expeditions were announced.
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