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mit Gruseln, Unfähigkeit, mir das alles vorher auszumalen) Du musst denken, ich
bin der unpraktischste und anpassungs-unfähigste Mensch auf Gottes Erdboden.
Am meisten Angst habe ich davor, wie ich das „Ik heb gezegt” herausbringen
soll.[7]
Aber ich vertraue darauf, dass Du die verrostete alte Maschine (d. h. mich)
schon irgendwie in Gang zu setzen wissen wirst.
Ich finde es wundervoll, dass Ihr so für Epstein
sorget.[8]
Die Zürcher haben kein
wissenschaftliches Gewissen. Ich habe dort alles Mögliche gethan, ebenso Meyer.
Ob es genützt hat, weiss ich noch
nicht.[9]
Grebe habe ich geschrieben, dass er Euch allen die Arbeit
schickt.[10]
Ich freue
mich sehr auf Julius, abgesehen von der
Spektralfrage.[11]
S. John findet neuer-
dings auch bei Magnesium-Linien keine Verschiebung, wie mir Eddington mit-
teilt.[12]
Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Frage ganz geklärt ist. Ich
habe aber volles Zutrauen in den Rel. Gedanken. Wenn alle Fehlerquellen beseitigt
sein werden (irdische Lichtquelle) wird es schon richtig
herauskommen.[13]
Die Schwierigkeit bei der quantentheoretischen Rechnung der Dissoziations-
gleichgewichte liegt in der Gewichtsfrage bei eingeschlafenen Freiheitsgraden. Ist
nicht rotierendes H2 einfach nur ein einatomiges Gas (abgesehen von der Permu-
tierbarkeit der Atomverbindungen)? Ich bin neugierig, wie Ihr Euch aus der Situa-
tion gezogen habt. Ich weiss es nicht ohne Willkür zu machen und freue mich, bis
Du mir alles
erzählst.[14]
In der allgemeinen Rel. Theorie habe ich keinen Fortschritt mehr gemacht.
Noch immer steht das elektrische Feld unverbunden da. Eine Überbestimmung ge-
lingt
nicht.[15]
Auch in der Elektron-Frage habe ich nichts
herausgebracht.[16]
Liegts an meinem verhärteten Gehirn oder liegt eine rettende Idee wirklich so fern?
(Jetzt ist es Zeit für den schönen Schluss des Nat. Ökonomen Oppenheim, der mich
damals so ergötzt
hat)[17]
Ich lese mit Begeisterung die Brüder Karamasow. Es ist das wunderbarste Buch,
das ich je in der Hand gehabt habe. Leider bin ich schon bald fertig
damit.—[18]
Hier ist äusserlich wieder Ruhe eingekehrt. Aber es klaffen Gegensätze von un-
erhörter Schärfe. Säbelwillkür & Erbitterung dagegen. Not und Hunger sind furcht-
bar in der Stadt. Die Kindersterblichkeit ist entsetzlich. Wohin wir politisch steuern
weiss kein Mensch. Der Staat ist zur äussersten Ohnmacht heruntergesunken. Ne-
ben ihm befehden sich die Hauptmächte: Säbel, Geld, extrem sozialist. Ver-
bände.[19]
Seid alle herzlich gegrüsst. Ich freue mich ungeheuer, bald wieder ein Stück Le-
ben mit Euch teilen zu können. Es wird jetzt ganz besonders schön sein, im Früh-
jahr. Schreib bald das Nötige Deinem
Einstein.
ALS. [9 477].
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