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ein neuer Herr:
Madelung.[9]
Leider ist es mir nicht gelungen, Sterns Berufung
durchzusetzen. Er ist sehr traurig darüber; denn seine Aussichten sind unter den
heutigen, antisemitischen Verhältnissen recht
betrüblich.[10]
Er denkt daran, in die
Industrie zu gehen, was ich für verrückt halte. Vorläufig soll er im Sommer einige
Wochen Urlaub nehmen und nach Göttingen kommen; dort wird
Bohr[11]
von An-
fang Juni an sein. Willst Du nicht auch hinkommen?— Meine Weglängen-Messun-
gen sind noch immer nicht befriedigend. Zwar habe ich jetzt die Kunst heraus, den
Druck während des Silber-Strahlens auf einige Prozent konstant zu halten, auch
kann ich die Schichtdicke der Niederschläge auf einige Prozent genau messen; aber
es klappt noch nicht alles
zusammen.[12]
Die Dickenmessung mache ich mit einer
Interferenzmethode, die
Wiener[13]
für Fernrohroptik angegeben hat; ich mache es
aber im Mikroskop, was viel besser geht. Man kann die Dicke einer Schicht (von
etwa 1 ) fast Punkt für Punkt (in Gesichtsfeldern von 0,01
mm2)
ausmessen. Diese
Methode will ich benützen, um Biegungskonstanten von ganz kleinen Kristallstük-
ken zu messen; als Nachfolger Voigts muss ich ja so etwas
machen.[14]
Vielleicht
gelingt es mir so, den Diamant zu biegen; Paul Oppenheim hat mir ein Stückchen
von ½ cm Länge
verschafft.[15]
Theoretisch habe ich nicht viel getan. Erstens habe
ich eine Darstellung der Carathéodoryschen Thermodynamik geschrieben, die in
einiger Zeit in der phys. Z. erscheinen
wird.[16]
Ich bin wirklich neugierig, was Du
dazu sagen wirst. Carathéodory selbst, dem ich die Druckbogen nach Smyrna ge-
schickt habe, fand die Darstellung in seinem
Sinne.[17]
Zweitens habe ich folgen-
den Satz bewiesen, der mir beträchtliches Kopfzerbrechen gemacht hat: Wenn man
in einem Gitter vom Typus NaCl die positiven und negativen Ionen irgendwie ver-
tauscht, so nimmt die elektrostatische Gitterenergie immer zu. Das NaCl-Gitter ist
also ein Minimum der Energie gegenüber solchen Vertauschungen; das erklärt
wohl (zum Teil) sein häufiges
Vorkommen.[18]
Ich brauche den Satz aber dann für
eine geplante Theorie des Schmelzens der Salze, das ich mir als Durcheinander-
Purzeln der Ionen vorstelle. Aber das ist schwierig!— Du siehst, sehr tiefsinnige
Forschungen sind das nicht. Daneben betreibe ich meinen Enzyklopädieartikel,
wobei mir Herr Dr. Brody als Privatassistent hilft. Das ist ein sehr kluger Mann (lei-
der versteht er wenig deutsch und ist ziemlich
schwerhörig).[19]
Er hat eine neue,
allgemeine Quantelungsmethode mit den Poincaréschen Integralinvarianten; er
sagte mir, daß er Dir davon erzählt
habe.[20]
Vielleicht steckt dahinter etwas richti-
ges. Wir haben jetzt den Gerlach hier, der sehr famos ist: energisch, kenntnisreich,
geschickt,
hilfsbereit.[21]
Er hat jetzt ein Angebot der Regierung von Chile, dort (in
Santiago) die Physik und Elektrotechnik zu übernehmen; ob das vernünftig ist? Ich
glaube, er hat auch hier gute Aussichten, aber es ist ein unternehmender Kerl und
für einen solchen Außenposten gut geeignet.— Franck sitzt schon in
Göttingen[22]
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