52 DOC. 2 PREFACE TO RUSSELL Vorwort [1] Es ist sehr zu begrüßen, daß die klaren Ausführungen des großen englischen Mathematikers der deutschen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Kein wackeliger Professor, der mit dem Einerseits- andrerseits equilibriert, spricht da zu uns, sondern eine von den ent- schiedenen, geradlinigen Individualitäten, die unabhängig von der Zeit dastehen, in die sie quasi zufällig hineingeboren sind. Unerbittliche Konsequenz und ein warmes menschliches Fühlen schreiben ihm seinen Weg vor. Den geht er unbekümmert um die Folgen, die seine Stellung- nahme für ihn mit sich bringt. Ohne die Geste eines Märtyrers läßt er sich seiner Professur berauben und wandert wegen antimilitaristischer [2] Propaganda ins Gefängnis. Er will die militärische Macht ganz abgeschafft wissen und empfiehlt als Mittel gegen gewaltsamen militärischen Zwang vom Ausland her eine konsequente Ausbildung zur organisierten passiven Resistenz der [3] Bevölkerung. Denen, die in Deutschland den Kapp-Putsch miterlebt haben, wird diese Lösung nicht mehr utopisch erscheinen. Russell setzt sich ferner mit dem sozialpolitischen Problem auseinander. Von glühendem Interesse für den Fortschritt menschlicher Organisation [4] getrieben, bereiste er das bolschewistische Rußland, um zu lernen. Sein Ideal ist die Entfaltung der freien gestaltenden Kräfte der Individuen in einer Gesellschaftsordnung, die dem einzelnen die Angst um die Erhaltung des Daseins abnimmt, ohne dem schlimmsten Feind sozialisti- scher Bemühungen, einem hypertrophischen Bürokratismus zu verfallen. Mag man im einzelnen mit den Meinungen Russells übereinstimmen oder nicht. Köstlich ist es, die Gedanken eines scharfsinnigen und wahrhaft edlen Zeitgenossen über die Dinge kennen zu lernen, die alle ernsten Menschen von heute bewegen. Setze sich jeder selbst mit dem großen Engländer auseinander. A. Einstein
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