1 0 6 D O C U M E N T 3 0 J A N U A R Y 1 9 2 2 30. From Paul Ehrenfest [Leyden,] 19 I 1922 Lieber Einstein! Zur Erleichterung der Lectüre dieses Briefes: Unter Benützung einer Bemerkung von Gibbs (1886) glaube ich zeigen zu können: auch wenn man Dir die Rotation der Wellenebenen proportional Schwef-Kohl-Stoff- Röhren-länge zugibt folgt daraus (auf rein klassischer Basis) ein negatieves Resultat für Dein Experiment auf klassischer Basis.— Witz: Wellen-gruppe![1] Die Blätter A, B, C wiederholen übersichtlicher was die Seiten 1, 2 etwas unor- dentlich darlegen. Verzeihe falls ich mich irre. Bitte antworte mir sei es auch nur kurz u. provisorisch. Vergiss auch nicht die Adresse des spanischen Professors anzugeben, von dem ich Dir gestern auf meiner Postkarte schrieb.[2] Sei mir nicht böse falls ich unrecht habe sei mir nicht böse falls ich recht habe. Mit innigem Gruß Dein P. Ehrenfest Lieber Einstein! Nun ja—Du bist so ein Teufelskerl, dass Du schließlich natürlich doch recht be- halten wirst. Aber ich möchte nun doch mit viel größerer Sicherheit als bisher klar verstehen, dass die klassische Theorie wirklich die Abbiegung des Bildes verlangt. Ich bin nun voll Verdacht gegen jeden Schritt des Beweises. Ich möchte Dich jedenfalls auf eine ganz kurze Notiz von Gibbs aufmerksam machen [Scientific papers Vol II pag 253 = Nature (Bd. 33 p. 582 April 1886)].[3] Sie bezieht sich auf Messung von Lichtgeschwindigkeit in dispergierendem Medium mit Hülfe der Methode des rotierenden Spiegels Dort werden vom rotierenden Spiegel auch Lichtwellen zurückgesendet, die fä- cherförmig gegeneinander stehen und Lord Rayleigh hat deshalb darauf aufmerk- sam gemacht,[4] dass diese Wellen beim Durchgang durch das dispergierende Medium rotieren (wie Du ja gesagt hast) Nun betrachtet Gibbs eine „Gruppe“ solcher Fächerwellen und erinnert vor al- lem daran, dass man zwischen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen V(λ) und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen„gruppe“ U(λ) unterscheiden muss. Daraufhin zeigt er: Wohl rotiert jede einzelne Wellenfläche (etwa wie jede Speiche eines Wagenra- des bei einem fahrenden Wagen) aber wenn „mit der Gruppe mitläuft“ d. h. mit der Geschwindigkeit U(λ) und also einen „Punkt mitten in der Gruppe“ festhält so sieht man folgendes: durch diesen (laufenden) Punkt gehen hintereinander die
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