1 1 4 D O C U M E N T 3 4 J A N U A R Y 1 9 2 2 Meine Hauptfrage ist: Wie stellen Sie sich zu dem Buch von Bleuler, in dem viel von Ihnen steht (Naturgeschichte der Seele, Springer Berlin 1921) Sie müssen sich unbedingt einmal zu so etwas die Mühe nehmen zu lesen.[3] Wenn Bleuler die Bedeutung von Moral u Religion als Führung heute gering einschätzt so überschätzt er wohl sicher—bei aller Bescheidenheit—die Macht ei- ner führenden Logik auf Grund der Naturwissenschaft, (trotzdem er am Schluss sagt: die Moral sei im Hirn angeboren) wie ich das auch tat u tue. Wenn ich sehe mit meiner Einstellung auf Gefahren u Gefährdungsschutz wie viel Mittel es gibt, um sich vorzumachen u andere anzulügen. Es gibt keine Gefahr!—das geht uns nichts an, das ist Sache der Versicherung etc. Wenn man nach dem Krieg die schreckliche Verlassenheit der deutschen Arbeiter durchlebt, ja dann wird man die Überzeugungskraft, die Impulsgrösse, die durch intellektuelle Einsicht gewonnen wird erzwungen werden kann, oder auf den schwerfällig gewordenen Gewissens- wogen hervorgelockt wird, nicht mehr so hoch einschätzen. Es fehlt zu viel.— Also schreiben Sie mir über Bleulers Buch. (Merkwürdig, dass über diese Werte so we- nig drin steht.) Hat Sie Weyl in Berlin besucht. Ich sah ihn 5 Monate kein einziges Mal—lese nun in der Sammlung Lorentz-Minkowski-Einstein-Weyl,[4] dass er die Feldphy- sikfragen, von denen er sich so viel versprach, aufgegeben hat, resigniert. Vor einem Jahr war er so voll von Ideen, Hoffnungen (auch im Specialfach: Pytha- goras).[5] Eddington ist einfach von köstlicher Lebendigkeit[6] Anschaulich ohne Hinterhältigkeiten Die letzte Zeit las ich Laplace:[7] Dies war ein umfassender An- schauungsmensch. Etwas trostlos ist, dass alles, was er in den Essays sur la proba- bilité” bringt an Gebieten bis heute kaum in einem Spec Gebiet (Versicherungen) wirklich beachtet wurde. Da ging es schneller mit der Relativität. Haben Sie Bericht von den Knaben hier[8] Da man nicht in der Zeitung liest, wo der Mann ist, ist es einem schon beinah langweilig. Indessen bhüets Gott[9] Zangger ALS. [40 019]. [1]Dated by the publication of Lorentz et al. 1922 (printed before 3 January 1922 see Doc. 5) and by the reference to Einstein’s possible visit to Göttingen. [2]Max Born and James Franck invited Einstein to Göttingen on the occasion of David Hilbert’s sixtieth birthday on 23 January 1922 (see Docs. 4 and 6). [3]Bleuler 1921. Zangger already had recommended the book in his letter to Einstein of 21 Novem- ber 1921 (Vol. 12, Doc. 304). [4]Lorentz et al. 1922. [5]See the footnotes by Weyl to the reprint of Weyl 1918a in Lorentz et al. 1922. [6]Zangger may have read Eddington 1920. [7]Laplace 1921, a new edition of his Essai philosophique sur les probabilités (1814). [8]Hans Albert and Eduard Einstein. [9]Expression for “May God protect us” in St. Gallen.
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