1 9 8 D O C U M E N T 1 0 0 M A R C H 1 9 2 2 die ihn interessieren, doch für Sachen, die er nicht mag, ist er etwas schwer zu ha- ben, und für die Matura gibt es verschiedenes von der letzten Art. Wäre es nicht vielleicht möglich in den Frühlingsferien etwas ein Zusammen- kommen zu arrangieren. Auch aus einem anderen Grunde wäre mir das sehr lieb. Vor einigen Tagen habe ich die Nachricht bekommen dass mein Vater gestorben ist.[4] Meine Mutter,[5] die selber alt u. schwach und jetzt ganz allein ist, bittet mich sie möglichst bald zu besuchen und ihr einiges ordnen zu helfen. In den letzten Jah- ren lebten meine Eltern in entsetzlichem Elend. Meine Schwester die seit einigen Jahren zeitweise an schweren Geistesstörungen leidet gestaltete ihr Leben zur Höl- le und misshandelte sie [6] sie hatten wahrend dem Krieg einen bedeutenden Teil ihres Vermögens verloren, und waren so wie so, bei den jetzigen Preise ausser stan- de sie in eine Anstalt unterzubringen. Jetzt erst mit der Todesnachricht bekam ich auch den Bericht, dass Zora in einer Anstalt ist.— Ich schreibe Dir das alles nur damit Du begreifst, wie unendlich schwer ums Herz es mir ist. Nicht nur dass ich selber so vollständig vereinsammt dastehe und an niemandem eine Stütze habe, sondern die die mir am nächsten waren, sind selber tief unglücklich. Manchmal muss ich denken dass trotz allem, Du wohl der nächste wärest, der mir etwas mehr persönlichen Beistand in diesem u. jenem leisten würde, wenn Du nur wüsstest wie schwer u. traurig es mir zu mut ist. Wären die Reise-Verhältnisse dorthin nicht so umständlich, ich würde die Kin- der am liebsten mitnehmen, ich könnte sie natürlich auch hier gut unterbringen. Aber wenn Du es einrichten kannst diese Ferien irgendwo mit Ihnen zu verbringen, hätten sie zugleich eine Freude. Ich hoffe Du wirst auf diese meine Vorschläge ein- gehen und bitte Dich mir auf alle Fälle möglichst bald Antwort zu geben damit ich mich danach richten kann. Mit freundl. Gruss Mileva ALS. [144 429]. [1]Dated by the fact that both in a letter to Vladimir Vari ak of 21 March 1922 (CrZ, R4812b) and in the present letter Mileva mentions that she received news about her father’s death and her sister’s hospitalization “a few days earlier.” [2]Presumably Docs. 48 and 67. [3]Hans Albert was attending the sixth and final year of the Realgymnasium of the Kantonsschule in Zurich. [4]Miloš Maric (1846–1922). [5]Marija Maric (1847–1935). [6]Zorka Maric (1883–1938).
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