2 7 2 D O C U M E N T 1 5 5 A P R I L 1 9 2 2 155. From Peter Debye Zürich 7, Gloriastrasse 36, 20. April 1922 Lieber Einstein! Von Aufregen ist nicht die Rede.[1] Nur wundere ich mich und das allerdings sehr darüber, dass Sie das nach Ihrer eigenen Mitteilung doch total falsche Citat auf Sie, das sich Nernst leistete, so gelassen hinnehmen. Dadurch unterstützen Sie ihn ja in seinem Bestreben mich einzuschüchtern, wie er das doch offenbar dadurch zu tun versuchte, dass er Sie sagen lässt: „Sie kennen seine Bemerkungen ganz genau und unterschreiben jedes Wort davon“! Woran dann der gute Rat geknüpft wird ich werde daraufhin wohl doppelt in Erwägung ziehen eine gänzlich unmotivierte Po- lemik vom Zaun zu brechen. Uebrigens schicke ich anbei eine Abschrift von der Nernstschen Aussage, damit Sie sie kennen lernen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es zu einer halbwegs vernünftigen Einigung mit Nernst kommen soll, wenn so- gar Sie es vorziehen trotz allem abseits stehen zu bleiben und seine Fehler mit dem Mantel der Liebe auch vor ihm selber zu verdecken. Sie schreiben nun: Sie hätten nur behauptet, dass in den empirischen Zustands- gleichungen, welche gegenwärtig als Ausdruck der Erfahrung angesehen werden, im Anziehungsglied kein Term steht, der nicht für verschwinde.“ Sogar diese milde Fassung deckt sich aber nicht mit den Tatsachen. Schon in meinem vorigem Briefe habe ich auf Zwicky und die neueren Rechnungen von Keesom hingewiesen.[2] Aber ich muss mir jetzt denken, dass Ihnen ein Zeuge aus älterer Zeit lieber sein könnte. Einen solchen giebt es in Kamerling-Onnes selber. Alle seinen empirischen Formeln (keine einzige ausgenommen) zur Darstellung des zweiten Virialkoeffizienten enthalten das fragliche für nicht verschwin- dende Glied. Ueberzeugen können Sie sich wohl am schnellsten in dem Enc. Art. von Kamerling-Onnes und Keesom (Enc. d. mathem. Wissenschaften Bd. 51 Heft 5 S. 730).[3] Mein Argument mit den Edelgasen wollen Sie nicht gelten lassen mit dem Hin- weis auf eine mögliche aber zukünftige bis jetzt nicht existierende Statistik der Ori- entierung. Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass eine solche Statistik denkbar ist, aber andererseits ist doch auch klar, dass man sie hier, vorläufig wenigstens, gar nicht braucht. Die Existenz der Polarisationskräfte ist ebenso sicher, wie die Tatsa- che der Elektrostriktion. Die Grössenordnung dieser Kräfte passt ausgezeichnet zu den beobachteten Anziehungen bei Edelgasen. Sogar der Temperaturverlauf der- selben wird, soweit die bisherigen Beobachtungen gehen, dargestellt. Was zwingt uns bei dieser Sachlage erst von einer zukünftigen noch sehr willkürlich formulier- baren Theorie erwarten zu wollen, was die heute vorhandene längst leistet? Und das, wo wir ausserdem sicher sind, dass sogar in jener Zukunftstheorie die Polari- sationskräfte ihre alte Rolle weiter spielen werden! T = T =
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