1 5 6 D O C U M E N T 9 0 J U L Y 1 9 2 3 90. From Hermann Anschütz-Kaempfe Schloß Lautrach, 24. Juli 23. Lieber verehrter Professor Einstein! Also der Albert kommt am 28. d. h. nächsten Samstag hieher, wie Sie aus beiliegendem Briefe entnehmen können.[1] Mir scheint, daß ich mit meiner Vermu- tung recht hatte, daß er bei Abfassung des Briefes an Sie[2] unter starker Beeinflus- sung stand. Jetzt erbitte ich mir von Ihnen nur möglichst bald Direktiven, was ich Albert ra- ten soll, wenn er den guten Willen zeigt, seine Entgleisung gut zu machen. Das hängt natürlich sehr von Ihren Reise-Dispositionen ab. Nach Berlin zu fahren ist vielleicht der Zeit nach zu knapp und schließlich auch recht teuer, da neue Tarif- Erhöhungen am 1. August vor der Türe stehen. Ihn einfach hier behalten, zumal wenn Teddy[3] auch gleich mitkommen sollte? Das wäre wohl nur angängig, wenn er sein pater peccavi[4] gründlich eingesehen hat. Vielleicht wäre es am besten, er schriebe Ihnen u. bäte um die Erlaubnis, hier mit Ihnen beisammen sein zu dür- fen?Da müßte er eventuell den Brief nach München Leopoldstr. 6 dirigieren![5] Ich fürchte, ich werde hier nicht gut abkommen können, da Prof. Martin nächsten Don- nerstag auf ca eine Woche kommen will [6] er freut sich sehr, Sie wieder mal zu se- hen. Aber Ihr Quartier ist in München im Geheimkabinet vorbereitet, ich bitte Sie nur an die Adresse: Frl. Wally Schöberl Habsburgerstraße 4/Atelier eine Karte zu schicken, damit Sie in der Leopoldstr. 6/III erwartet werden. Vielleicht schicke ich Ihnen den Albert auch dorthin, er kann gut in der Wohnung untergebracht werden. Und die Wally ist das Faktotum von guten Freunden von uns, die immer aushilft, wenn wir Gäste in der Wohnung haben u. wir nicht da sind. Übrigens kennen Sie ja die Inhaber dieser Perle, es sind die beiden Franks,[7] die Sie bei uns in Kiel ken- nen lernten u. auch zur Zeit nicht in München sind, so daß die Wally Ihnen ganz zur Verfügung steht. Kommen Sie nur bald heraus, in München ist’s zur Zeit gar nicht erfreulich, lau- ter Sachsen und ähnliche Typen. Die diversen Kinder hier fahren wohl schon in den ersten Tagen des August ab auch wegen der Fahrpreis-Erhöhung, Sie müssen sich eilen, wenn Sie den Hexen- Tanz noch etwas erleben wollen. Und recht viel Gutes von Haus zu Haus Ihr getreuer Anschütz. Ob es opportun ist, daß Sie Alberts beiliegenden Brief gesehen haben, überlasse ich Ihrem Ermessen u. der jeweiligen Situation ich werde ihm gegenüber nichts er- wähnen, daß ich Ihnen den Brief einsandte.
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