6 0 2 D O C U M E N T 3 9 4 D E C E M B E R 1 9 2 4 ALS. [20 582]. Written on letterhead “Sterrewachte Leiden.” Between the date and the salutation, “beantw. am 28 XII. 24” is written in an unknown hand. [1]To participate in the celebration of the 350th anniversary of the University of Leyden. [2]Square brackets are in the original. 394. From Chaim Weizmann 77. Great Russell Street. W.C.1 [London,] 12. Dezember 1924. Lieber und verehrter Herr Professor, Ich hoffe in einigen Wochen in Berlin zu sein und mit Ihnen dann ausfuehrlich ueber alle unsere Angelegenheiten sprechen zu koennen. Ich moechte aber heute, da eine Gelegenheit sich bietet Ihnen einige persoenliche Zeilen zu senden, ueber einige Dinge schreiben, die mir in letzter Zeit sehr am Herzen liegen. Es ist fuer jeden, der mitten in der Arbeit steht, unverkennbar, dass im Laufe der letzten Monate sich ein tiefer Umschwung im Charakter unserer Arbeit und dem- entsprechend auch in der Wertung, die sie von unseren Freunden und Gegnern empfaengt, eingetreten ist. Seit mitte dieses Jahres hat eine verstaerkte Immigrati- on eingesetzt, die, wenn sie anhaelt, uns 30–40.000 neue Siedler im Jahre nach Pa- laestina bringen wird.[1] Die Einwanderer gehoeren nicht mehr wie frueher nur den mittellosen Klassen an, sondern es ist, im Gegenteil, unter ihnen jetzt ein hoher Prozentsatz von kleinen Geschaeftsleuten, Handwerkern, die mit zum Teil nicht ge- ringen Mitteln ins Land kommen, weil sie glauben, dass die Moeglichkeiten zu einer festen Ansiedlung von Menschen ihrer Klasse bereits bestehen. Diese psy- chologische Tatsache selbst ist sehr bezeichnend. Andrerseits waren wir imstande, im Laufe dieser letzten Monate, namentlich infolge des Tabakbaus, auch eine groessere Anzahl von Chaluzim[2] zu absorbieren. Das entscheidende Element in der Situation aber war die Durchsetzung des Keren Hajessodgedankens[3] in den grossen Zentren der Diaspora und der Beginn eines einigermassen geregelten Ein- flusses der Gelder zur Deckung der laufenden Budgets. Nicht als ob die Resultate befriedigende waeren oder den Anforderungen der Ausweitung unserer Arbeit ent- spraechen, aber es ist doch schon zu bemerken, dass es ein Anfang ist. Und diese Tatsache, dass wir nun in ein neues Stadium eintreten, haben auch unsere Gegner erkannt. Sie fuehlen, dass man uns ernst nehmen muss. Vor einigen Jahren glaubten sie noch, unser Unternehmen durch Verhinderung seiner staatsrechtlichen Fundie- rung im Keim ersticken zu koennen. Heute haben sie erkannt, dass sie zwar dies nicht durchzusetzen vermoechten, dass sie aber unsere Arbeit viel effektiver durch fortwaehrende Anfeindung, durch Hemmung unserer praktischen Unternehmun- gen, durch Ausstreuung von dunklen Insinuationen hemmen koennen. Die neuliche
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