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Für den primitiven und ungebildeten Menschen ist Andersartigkeit ein ausrei-
chender Grund für den Hass. Die Tatsache, dass heute der Judenhass in Deutsch-
land so fürchterliche Formen angenommen hat, dass die Bevölkerung gegen die
Juden aufgehetzt wird, beweist nur, wie weit die vom Antisemitismus ergriffene
nichtjüdische Welt von wahrer menschlicher Bildung und echter Kultur entfernt ist.
Das Wort Gottfried Kellers: “Das Eigene lieben, aber das Fremde achten” scheint
erst für eine kommende Generation geschrieben zu
sein.[3]
Hier sei Klarheit dar-
über geschaffen, dass es ein vergebliches Bemühen ist, wenn Juden den Gründen
das Antisemitismus nachzugehen versuchen. Die Gründe des Antisemitismus sind
nicht sein wahrer Grund, man braucht einen Sündenbock und macht die Juden ver-
antwortlich, gegen die sich instinktive Abneigung richtet, weil sie anderen Stam-
mes sind als die Mehrheit der Bevölkerung. Weist hundert Mal nach, dass das Ver-
halten der deutschen Truppen in Belgien und Polen ganz gewiss dem deutschen
Namen mehr geschadet hat als alle angeblichen Schiebergeschäfte aller Juden
zusammengenommen,[4]
zeigt auf, dass alle Kreise des Volkes im Kriege und nach
dem Kriege in ihrem Handeln von sozial-egoistischen Momenten bestimmt waren,
es wird Euch alles nichts nützen, da es doch so viel bequemer ist, die Schuld auf
die Juden abzuwälzen und den lächerlichen Versuch zu machen, der Welt einzure-
den, dass 600 000 Juden 70 Millionen Deutsche auf allen Gebieten des Lebens be-
herrscht, gelenkt und verdorben haben. Wäre es wahr, was Antisemiten behaupten,
dann gäbe es in der Tat nichts Schwächeres, Erbärmlicheres und Lebensunfähige-
res als das deutsche Volk.
Dem Instinkte der Masse ist durch Apologetik nicht beizukommen. Was also
soll geschehen, fragen alle die Kreise, die heute die antisemitische Welle beobach-
ten.
Der Staat und insbesondere der deutsche Staat muss sich darüber klar werden,
dass er durch die Behandlung der Juden beweisen wird, ob er seinen wahren
Zukunftsaufgaben gerecht wird, ob er Minderheiten in seiner Mitte zu ertragen ver-
mag, ohne sie zu bekämpfen. Ist es nicht seine oberste Pflicht, dafür zu sorgen, dass
Menschen jeder Abstammung und jeder Art in vollster Freiheit in seinen Grenzen
wohnen können? Heute gibt es keinen Staat, der nicht Schutz und Selbstbestim-
mungsrecht der Minoritäten zu seinem politischen Programm gemacht hätte. Die
Aufgabe der Juden ist es, dafür zu sorgen, dass der Staat um seiner eigenen Ent-
wicklung willen dieses fortschrittliche programm in die Wirklichkeit
umsetzt.[5]
Die Allgemeinheit muss wissen, dass sie sich selbst aufs schwerste schädigt, wenn
sie von den Juden die Aufgabe ihrer menschlichen Eigenart und charakterlose An-
passung an die Umgebung, z.B. durch Taufe, verlangt. Die charaktervollen, selbst-
bewussten Juden werden aber durch ihre Anwesenheit dazu beitragen, dass das Ge-
fühl für wahre Menschlichkeit immer stärker empfunden wird. Sie haben die
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