D O C U M E N T 2 9 A P R I L 1 9 1 9 4 3
ALS (NeHR, Archief H. A. Lorentz). [16 464].
[1]The subject of a mixed German-Belgian commission to investigate alleged German war atroci-
ties was broached on this occasion (see Einstein to Paul Ehrenfest, 24 October 1916 [Vol. 8, Doc.
269], note 2).
[2]Among the most damaging accounts of German atrocities during the war was the Bryce Report,
published in thirty languages in May 1915 by a British commission under James Bryce (1838–1922),
former ambassador to the United States (see Bryce et al. 1915).
[3]Members of this commission may have included some of the group that in about September
1919 signed the introduction to a volume, Arco et al. 1919, documenting war crimes committed by
the German Army in Lille, France. The signatories are Georg Count von Arco, Einstein, Walburga
Geiger, Hellmut von Gerlach, Maximilian Harden, Max Hodann, Luise Kautsky, Elisabeth Rotten,
Erich Schlesinger, and Helene Stöcker.
29. From Hans Vaihinger[1]
Halle, Reinhardtstr 15. d 27. 4. 1919
Hochgeehrter Herr College Einstein!
Längst hätte ich Ihnen Ihr Buch, das Sie mir so gütigst in Berlin am Freitag d. 4.
Oct. mitgaben, zurücksenden
sollen.[2]
Aber schwere Tage sind seit jener Zeit über
mich gekommen: nicht nur habe ich 2 schwierige Augenoperationen durchge-
macht, die mein lästiges Augenleiden leider doch nicht behoben haben, sondern ich
habe auch in meinem Hause einen sehr tragischen Todesfall erlebt, indem unsere
einzige hochbegab[t]e Tochter, nachdem sie sich zu Weihnachten verlobt hatte am
31. Dezember aus dem Leben
ging.[3]
Dazu traten noch die vielen furchtbaren po-
litischen Störungen. So kommt es, dass ich erst heute dazu gelange Ihnen Ihr Buch
zurückzusenden, das ja um so grösseren Wert für Sie hat, als Sie es mit handschrift-
lichen Bemerkungen versehen haben. Gerade diese haben mich aber sehr angezo-
gen, und haben mir reichlichen Stoff zum Nachdenken gegeben, haben mich aber
eben deshalb auch immer wieder zu dem Buche zurückgeführt.
Natürlich habe ich dassjenige, was Study über die Philosophie des Als-Ob sagt,
mit besonderem Interesse gelesen. Er tut mir vor allem Unrecht darin, dass er mich
zu den Pragmatisten stellt, von denen ich mich doch prinzipiell
unterscheide.[4]
Der Grundsatz des Pragmatismus lautet: was nützlich ist, ist wahr. Nützlichkeit
ist Kriterium der Wahrheit.
Mein idealistischer Positivismus aber sagt: Auch solche Vorstellungen, welche
notorisch vom theoretischen Standpunkt aus falsch sind, können doch für das Den-
ken und für das Leben praktisch nützlich sein. Dieser praktische Nutzen ist aber
darum kein Kriterium ihrer Wahrheit.
Durch diesen scharf formulierten Unterschied der notwendig streng festgehalten
werden muss, scheidet sich meine Richtung prinzipiell vom Pragmatismus, von
dem sie auch historisch völlig unabhängig ist.
Previous Page Next Page