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30. To Theodor Kaluza
[Berlin,] 28. IV. 19.
Sehr geehrter Herr Kollege!
Ich habe Ihre Arbeit durchgelesen und finde sie wirklich
interessant.[1]
Nirgends
sehe ich bis jetzt eine Unmöglichkeit. Aber andererseits muss ich gestehen, dass
die bis jetzt beigebrachten Argumente noch gar zu wenig überzeugend erscheinen.
Ich möchte Ihnen vorschlagen, zunächst folgendes zu erwägen (vielleicht bevor Sie
Ihre Arbeit publizieren, obwohl ich mir nicht erlauben will, Ihnen in dieser Bezie-
hung einen Rat zu geben).
Es ist doch nach Ihrem Grundgedanken anzunehmen, dass die geodätischen Li-
nien, welche gegen die Schnitte ( ) geneigt sind, die Bahnen elektrisch
geladener Teilchen unter der gleichzeitigen Wirkung eines Gravitations- und elek-
tromagnetischen Feldes ergeben müssten. Wenn Sie zeigen könnten dass dies mit
der aus unserer empirischen Kenntnis verbürgten Genauigkeit zutrifft, wäre ich
von der Richtigkeit Ihrer Theorie so gut wie
überzeugt.[2]
Ihre Notiz ist für unsere Akademie zu lang; es li[egt] ein Beschluss in dieser Be-
ziehung vor, von dem Ausnahm[en] nicht gemacht
werden.[3]
Ich kann aber dafür
sorgen, dass die neu gegründete mathematische Zeitschrift Ihre Notiz rasch ab-
druckt, weil ich den Herausgeber (Prof. Lichtenste[in)] gut
kenne.[4]
Eine gekürzte
Notiz für die Akademie könnte ich nur dann vorlegen, wenn die obige Frage der
geodätischen Linien geklärt wäre. Sie können mir dies nicht übelnehmen, denn
wenn ich die Arbeit vorlege, decke ich sie mit meinem
Namen.[5]
Ich selbst aber
würde den Gedanken—wenn ich ihn gehabt hätte—bestimmt nicht veröffentli-
chen, bevor ich jene Probe gemacht hätte, die mir ein sicheres und relativ einfaches
Kriterium darzustellen scheint.
Mit kollegialem Gruss bin ich Ihr
Einstein.
ALS (Ingola Kaluza, Hannover). Sabbata and Schmutzer 1983, p. 450. [71 196].
[1]A week earlier, Einstein had agreed to consider for publication in the Prussian Academy’s
(PAW) Sitzungsberichte a manuscript by Kaluza on the idea of a unification of gravitation and elec-
tromagnetism by means of introducing an extra space dimension (see Doc. 26).
[2]If is the additional fifth spacelike coordinate, observable physics should be obtained by pro-
jecting onto hypersurfaces orthogonal to it.
[3]For Academy restrictions on page length for communications by nonmembers, see Doc. 26,
note 7).
[4]Léon Lichtenstein (1878–1933) was Privatdozent in mathematics at the Technical University of
Berlin-Charlottenburg. Mathematische Zeitschrift was founded in 1918 and soon became one of the
leading journals in the field.
[5]A year earlier, when Einstein presented the manuscript of Weyl 1918a to the PAW for publication
in its Sitzungsberichte and expressed a disagreement with this paper, fellow PAW members, among
them Walther Nernst and Max Planck, objected to its publication. As a compromise, the published
x0 konst =
x0
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