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34. From Hendrik A. Lorentz
Haarlem, 4. Mai 1919.
Lieber Herr Kollege,
Mit lebhaftem Interesse habe ich gelesen was Sie mir über den Plan schrieben,
den Sie mit einigen gleichgesinnten Männern gefasst haben, und herzlich hoffe ich,
dass Sie Ihr Vorhaben werden verwirklichen können und in dieser Weise dazu bei-
tragen werden, die jetzt bestehende heftige Erbitterung allmählich zu
lindern.[1]
Dass Ihr Unternehmen keineswegs leicht sein wird, werden Sie sich nicht verheh-
len. Eine Hauptschwierigkeit liegt natürlich darin, dass der Schritt erst jetzt getan
wird; zu einer Zeit, da Deutschland noch siegreich war, hätte er erfolgreicher sein
können. Indes, es ist jedenfalls von hohem Wert, zu tun was jetzt möglich ist.
Was die praktische Ausführung betrifft, so ist wohl klar, dass es für eine aus Pri-
vatpersonen zusammengesetzte Kommission manchmal schwer halten wird, sich
eine für Alle überzeugende Gewissheit zu verschaffen. Viele Tatsachen würden
sich nur dann einwandfrei feststellen lassen, wenn eine mit der nötigen Autorität
bekleidete Kommission an Ort und Stelle eine gerichtliche Untersuchung anstellen
könnte.
Das wird Ihrer Kommission unmöglich sein und wird sie sich darauf beschrän-
ken müssen, das bereits publizierte
Material,[2]
sowie die Aussagen glaubenswür-
diger Personen zu sammeln und nach sorgfältiger Prüfung nach bestem Wissen ein
Urteil abzugeben. Freilich kann auch schon das sehr nützlich und zweckdienlich
sein.
Vorläufig scheint es mir nicht angemessen, dass ich zu den Beurteilern gehöre;
ich weiss nicht, ob das im Interesse der Sache wäre und es würde wohl auch meine
Zeit und Arbeitskraft zu viel in Anspruch nehmen. Sehr gern werde ich aber versu-
chen, Ihnen bei der Herbeischaffung der erforderlichen Daten behilflich zu sein;
sofern diese aus den Ländern erhalten werden müssen, die von dem Krieg zu leiden
hatten, wird, wie Sie mit Recht bemerken, die Mitwirkung von Zwischenpersonen
unentbehrlich sein.
Es scheint mir übrigens unumgänglich nötig, dass Sie auf eine gewisse Unter-
stützung seitens der deutschen Regierung rechnen dürfen. Sie müssen davon versi-
chert sein, dass diese dazu mitwirken will, volles Licht zu verbreiten, und dass man
der Veröffentlichung des Urteils der Kommission und der freien Diskussion dar-
über nichts in den Weg stellen wird. Diese Gewissheit müssen Sie, wie mir scheint,
haben, bevor Sie sich in irgend einer Weise mit Belgiern und Franzosen in Verbin-
dung setzen, denn wenn diese von Ihrem Vorhaben hören, und nachher erfahren
sollten, dass Sie nicht völlig frei sind, sich zu äussern, so wäre offenbar mehr ver-
loren als gewonnen.
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