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46. From Felix Ehrenhaft
Wien IX., Boltzmanngasse 5., am 28. Mai 19.
Lieber Herr Einstein!
Schon lange habe ich von Ihnen nichts gehört und lange Zeit haben Sie von mir
nichts gehört. Ich will also die Pause unserer Korrespondenz wieder einmal unter-
brechen.[1]
Ich hätte die Absicht im Herbste (etwa Ende Oktober 1919) neue mir interessant
und wichtig scheinende Resultate, welche ich & Dr. Konstantinowsky heuer aus
gearbeitet haben, in Berlin
auseinanderzusetzen.[2]
Also frage ich bei Ihnen an, ob
Sie im Herbste in Berlin weilen; welche Zeit wäre für einen Vortrag in der physik.
Gesellschaft günstig. Vorallem ist mir aber auch darum zu tun, dass wir einige Tage
ruhig miteinander über die Dinge & diverses andere reden könnten. Dies möchte
ich mit dem Berliner Vortrage verbinden.
Vor einigen Tagen wurde mir eine Rundschrift des von Ihnen geleiteten Kaiser
Wilhelm Institutes für Physik de dato 18. März 19 eingehändigt, in der die Mög-
lichkeit der Erlangung grösserer Subventionen dieses Institutes für Forschungs-
zwecke angekündigt
wird.[3]
Ich möchte nun bei Ihnen, allerdings zunächst ver-
traulich, anfragen ob solche Mittel unter Umständen auch für mich und meine
Mitarbeiter & Schüler zur Verfügung gestellt werden könnten oder ob in diesem
Falle ein Interesse am Fortgange dieses Zweiges der physikalischen Forschung
nicht vorhanden ist.
Wie Ihnen aus Ihrer österr Tätigkeit wohl bekannt sein dürfte, ist die Lage unse-
rer österr. Institute eine ausserord. präcäre, was durch die heutige Lage noch beson-
ders verschärft ist, so dass ich das Dasein meiner Forschertätigkeit grösstenteils aus
den kärglichen Subventionen der W[iener] Akademie der Wissenschaften
fristete.[4]
Die Richtung unserer Untersuchungen ist Ihnen doch
bekannt;[5]
ich bin aber
gerne bereit, falls Sie der Frage der Subventionierung näher treten wollen, Details
diverser neuer Pläne auseinanderzusetzen.
Wie geht es Ihnen personlich in diesen Zeiten. Der Züricher Aufenthalt muss Ih-
nen wohl erquickend Erholung sein. Oft denke ich noch an unser politisches Ge-
spräch 1917 auf der Terrasse Ihres Herrn Onkels in
Berlin.[6]
Wie richtig haben wir
die politische Situation damals beurteilt, Sie die deutsche & ich die osterr-ungari-
sche. Und wie wenige Menschen hatten sich den klaren Blick nicht trüben lassen.
Seien Sie auf das allerherzlichste gegrüsst von Ihrem ergebenen
Ehrenhaft
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