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Mißverstand ausschließt, das Ganze dieses Abs. aus der Gegenüberstellung des
„Ihr“ u. „Wir“ heraushebt und sich damit erst ganz auf den Boden der Gemeinsam-
keit stellt.
Die ernsteste Frage, die ernsteste Schwierigkeit für uns u. für alles liegt in dem
Problem der Gewalt. Ich denke dem fortwährend nach—G. Sorel’s Buch (Réflexi-
ons sur la violence, Paris, M. Rivière & Co.) ist sehr merkwürdig. Innerlich finde
ich mich in sehr vielem mit ihm auf einer Linie, aber er ist ganz berauscht vom
Glauben an die Idee—der Gewalt (die er daher ganz einseitig als—Generalstreik
versteht), ausdrücklich als „Mythus“, d. h. in voller Erkenntnis ihrer Wirklichkeits-
fremdheit, als ein religioses Symbol gleichsam, an das das Proletariat sich klam-
mern soll, um seinen (durchaus geistig-seelisch verstandenen) Radikalismus rein
zu erhalten u. nicht zu
versumpfen.[3]
Kein Militarist kann fanatischer an die heili-
gende Kraft des Krieges glauben, wie Sorel an die eben auch des Gewaltkrieges des
Generalstreiks. Hier ist der stärkste Wiederstand zu erwarten—wie gesagt, für uns
und für alles. Und da hilft uns nichts, dem müssen wir von Anfang an widerstehen.
Der „Glauben“ muß sieghaft bleiben, erst recht sieghaft werden, indem er sich vom
„Mythus“ losreißt, der „Hunger“ nach Freiheit darf nicht zum Raub verleiten, der
„gerechte Trotz“ nicht rechtlose, nur rechtliche Gewalt ertrotzen—durch nichts als
zähes Festhalten am Recht; das zwar nicht Freiheit schafft, aber allein die Möglich-
keit gewährt sie sich selbst zu schaffen. Darin müssen wir ganz auf die Seite, nicht
des Proletariats aber der „Geistigen“ des Proletariats
treten.[4]
Damit fordern wir
von ihm allerding den Verzicht auf Gewalttat. Ich denke doch, nicht aus Feigheit,
denn Gefahr ist auch so noch genug für unsere liebe Person. Aber ernstere Gefahr
ist für die Sache, wenn wir den Gewaltweg auch nur offenlassen (wenngleich war-
nend).
Ich habe nur erst 2 Abzüge erhalten. Sobald Sie Ihre Unterschrift geben, werde
ich hoffentlich eine größere Anzahl Ihnen schicken können, um sie an solche, von
denen Sie annehmen, daß sie unterzeichnen würden, durch Sie zu schicken—wür-
den Sie mir in dem Fall die Zahl von Expl. die Sie voraussichtlich brauchen, auch
etwa der wichtigsten Namen mitteilen, damit wir nicht unnötig von mehreren Sei-
ten an dieselben schicken.
Die Wege der Verbreitung sind noch etwas zweifelhaft. Wir wollen die Erkl. vor
allem in die versch. sozialistischen Gruppen direkt
bringen.[5]
Wir fassen aber auch
ins Auge in Versammlungen verschiedenster Parteien die Erkl. bekannt zu geben.
Wüßten Sie für Berlin Persönlichkeiten, die dazu geeignet u. gewillt wären, so wür-
de ich es ganz besonders verdanken. Ich wüßte bis jetzt nur m. alten Schüler Br.
Lemke, der in Sozialistenkreisen bes. soz. Studentenschaft Fühlung
hat.[6]
Aber es
käme sehr darauf an, energische, auch an die Kampffront sich hinauswagende Per-
sönlichkeiten aus akademischen o. doch akad. gebildeten o. auch Schriftsteller–
Künstler–Erzieher Kreisen zumal von einigem Namen u. persönlicher Bedeutung,
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