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der Ableitung für Gase wird zunächst das Gasgesetz üblicherweise vorausgesetzt,
wodurch die Unabhängigkeit vom Drucke sich leicht
ergibt.[4]
Hinterher entdeckt
man, dass bei Flüssigkeiten der Wert der inneren Reibung praktisch nicht viel an-
ders ist, als bei Gasen. Dies vorausgesetzt, kann es nicht überraschen, dass er bei
Gasen unter hohem Druck auch nicht viel anders ist. Was fehlt ist ein theoretischer
Grund, eine Überlegung, die verständlich machte, warum die Unabhängigkeit vom
Drucke auch dann bestehen bleibt, wenn die Voraussetzungen des Gasgesetzes
durch den Übergang zu sehr hohem Drucke, oder zum flüssigen Zustande vollkom-
men umgeworfen werden. Entweder existiert diese Überlegung, dann bitte ich Sie
Herrn Wildhagen darauf hinzuweisen. Wenn sie nicht existiert, dann muss er auf
diesen Punkt ebenfalls aufmerksam machen und von dort aus den empirischen
Charakter des Problems erläutern. Dieselbe Fragestellung wiederholt sich im Ge-
biete der Turbulenz, wo die Ähnlichkeit des idealen Gases mit der Flüssigkeit und
dementsprechend die Ähnlichkeit des hochkomprimierten Gases mit dem einiger-
massen verdünnten wiedergefunden wird. Wieder ist die Frage, was sich theore-
tisch voraussagen lässt und ob sich etwas derart voraussagen lässt. Schliesslich
kommt in Betracht der Blasiussche
Ansatz.[5]
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie
sich darüber mit Herrn Wildhagen unterhielten. Mir ist Blasius immer physikalisch
etwas unheimlich und im speziellen Falle sehe ich die Tragkraft seines Schlusses
nicht recht durch. Da haben Sie meine Schwierigkeiten. Ich habe Herrn Wildhagen
gebeten, wenn Sie ihm Ihren Rat gewähren, ihn entsprechend in der Arbeit zu be-
rücksichtigen und mir dann das ganze nach der Schweiz zu schicken, damit ich es
dort näher studiere.
Mit herzlichen Grüssen Ihr Freund
Haber
TLS. [12 322]. Written on letterhead “Kaiser Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elek-
trochemie.”
[1]Max Wildhagen (1888–1960) was an engineer whose doctoral dissertation, entitled “Über den
Strömungswiderstand hochkomprimierter Gase in Rohrleitungen,” was prepared for the Technical
University of Karlsruhe, at which Haber taught before coming to Berlin (see Nipperdey and
Schmudde 1970, p. 59).
[2]His reason for leaving Germany was his fear of being extradited to the Allies as a war criminal
responsible for the development and use of gas weapons. He was, however, prepared to appear in
court in a neutral country. For details, see Szöllösi-Janze 1998, chap. 3.1.
[3]Haber’s scientific activities during the war were concerned in particular with the development
of chemical weapons. For a historical account of this research, see Stoltzenberg 1994, chap. 7 and
Szöllösi-Janze 1998, chap. 6.
[4]For an elementary discussion, see Einstein’s lecture notes on the kinetic theory of heat (Vol. 3,
Doc. 4, p. 187).
[5]Possibly a reference to Blasius 1913, which investigates scaling laws of flow patterns for bodies
of similar shape and different size moving in viscous liquids. An “Ansatz” explicitly discussed (p. 4)
in the derivation of the relevant laws is the assumption of proportionality between the transverse strain
due to friction and the velocity gradient orthogonal to the direction of (laminar) flow. Heinrich Blasius
(1883–1970) was Studienrat at the Technische Staatslehranstalt in Hamburg.
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