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85. From Otto Lummer
Breslau, Physikal. Institut der Universität. 4. 8. 19
Ich möchte mir gestatten, die Aufmerksamkeit des Kaiser-Wilhelm-Instituts auf
folgenden dunklen Punkt in der deutschen physikalischen Forschung zu lenken:
Die Pflege der Akustik, die unter Melde, Kundt und
Helmholtz[1]
in hoher Blüte
stand, ist in den letzten Jahrzehnten völlig vernachlässigt worden. Nur wenige
deutsche Physiker beschäftigen sich überhaupt noch mit Akustik, und im allgemei-
nen herrscht direkt krasse Unwissenheit in akustischen Dingen. Demgemäß ist
auch die akustischen Ausbildung des physikal. Nachwuchses eine völlig ungenü-
gende. Soweit mir bekannt ist, gibt es auch kaum ein physikal. Institut in Deutsch-
land, welches brauchbare Einrichtungen für akustische Forschungen aufweist. M.
E. würde sich deshalb das K.- W.-Institut ein großes Verdienst erwerben, wenn
durch Bereitstellung der notwendigen Mittel die Vorbedingungen dafür geschehen
würden, daß die Akustik in Deutschland wieder hoch kommen
kann.[2]
Es wäre erwünscht, in einem Institut wirklich brauchbare Einrichtungen für aku-
stische Untersuchungen zu schaffen. Hierzu mußten einige Zimmer besonders her-
gerichtet werden (einigermäßen schallsichere Türen, gute Rohrleitungen mit zahl-
reichen einzuschaltenden Interferenzröhren etc.), ferner eine größere Zahl guter
Schallquellen (Appunsche Zungenkästen, vollständige Pfeifen—und Stimmgabel-
sätze) beschafft werden und endlich die verschiedensten Registriereinrichtungen.
Schätzungsweise wäre eine Summe von 40–50000 M erforderlich, um wirklich
gute Einrichtungen zu schaffen, wobei diese Summe natürlich nicht auf einmal,
sondern in Raten gebraucht würde. Sollte das K.-W.-Institut geneigt sein, meinem
Vorschlage näher zu treten, so wäre ich selbstverständlich gern bereit, detailliertere
Vorschläge zu machen.
Als Institut würde ich das Breslauer Institut vorschlagen, da der Abteilungsvor-
steher, a. o. Professor Waetzmann betreits zahlreiche gute akustische Arbeiten aus-
geführt hat und große Erfahrung auf akustischem Gebiete
besitzt.[3]
In jedem Falle
möchte ich dringend befürworten ihm durch Gewährung von Geldmitteln die Wei-
terführung seiner akustischen Arbeiten zu erleichtern, bezw. zu ermöglichen. Er
hat mit Erfolg über die Wirkungsweise von Mikrophonen gearbeitet, die Sprach-
verzerrung im Telephonkreise, Schwebungen, Kombinationstöne, Schalldruck, all-
gemein unsymmetrische Schwingungen usw., sowie über physiologisch-akustische
Fragen. Sein Buch „Resonanztheorie des
Hörens“[4]
ist in der gesamten (auch phy-
siologischen) Literatur vorzüglich beurteilt worden. Herr Prof. Waetzmann glaubt,
daß außer mir beispielsweise auch die Herren Rubens, Haber, M. Wien, Cl. Schae-
fer, C. Stumpf, Kalähne seinen akustischen Arbeiten ein sehr günstiges Zeugnis
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