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Was nun den Aufruf betrifft, so gehöre ich nicht zu seinen Urhebern. Weil ich
die sehr erbitterte Stimmung der Helden von der Tinte in den verschiedenen Län-
dern kenne, weiß ich sehr wohl, daß derartige Versöhnungs-Versuche gegenwärtig
nur recht [w]enig Erfolg
versprechen.[3]
Ich gab meine Unterschrift nur darum,
weil es weit schlimmer gewesen wäre, sie zu verweigern; aber ich war überzeugt,
daß wir keine nennenswerte Resonnanz finden würden.
Ich muß Ihnen offen gestehen, daß mir eine Unterschriftensammlung in dem von
Ihnen angedeuteten Sinne ebenfalls wenig aussichtsreich erscheint, teils wegen der
schmerzlichen Lücken, die sie aufweisen würde, teils wegen des Widerspruches,
der wahrscheinlich nicht ausbleiben
würde.[4]
Vorderhand dürfte es in erster Linie
wertvoll sein, die einzelnen internationalen persönlichen Verbindunge[n] zu pfle-
gen und so still u. langsam bessere Beziehungen anzubahnen. Ebenso halte ich es
für heilsam, die Erkenntnis über die schweren Sünden der deutschen Heeresleitung
in Belgien u. Frankreich zu verbreiten, um ein besseres Verständnis für die 〈Psy-
che〉 Stimmung der anderen anzubahnen. Ich gehöre einer kleinen privaten Kom-
mission an, die gegenwärtig Publikationen auf diesem Gebiete
vorbereitet.[5]
Vor-
derhand halte ich es für das Wichtigste, ein Aufkeimen der Revanche-Idee zu
verhindern, dass der gegenwärtige, jammervolle Zustand nicht mit derartigen bru-
talen Mitteln befestigt werde.
Es grüßt Sie herzlich Ihr ergebener
A. E.
Dft in the hand of a secretary. [44 960]. There are perforations for a loose-leaf binder at the left margin
of the document. Addressee’s name is typed above salutation: “Herrn Prof. Dr. A. Schmidt, Potsdam,
Telegrapenberg.”
[1]Doc. 68, written 1 July.
[2]Schmidt had encouraged Einstein to form a committee that would organize the gathering of sig-
natures for an appeal authored by Romain Rolland and Henri Barbusse (see Doc. 68).
[3]For Einstein’s assessment of German academics’ politics four years earlier, see the preceding
document, note 3.
[4]According to Einstein, the efficacy of the appeal might be undermined by an even more powerful
backlash (see the preceding document).
[5]On the private commission to investigate German war crimes, see Doc. 80.
93. To Joseph Petzoldt
[Berlin,] Dienstag. [19 August
1919][1]
Lieber Kollege!
Von einem längeren Aufenthalt in der Schweiz zurückgekehrt finde ich Ihren
Brief vor und beeile mich, Ihre Fragen zu
beantworte[n][2]
Bezüglich der rotieren-
den Scheibe kann ich Ihnen durchaus nicht Recht geben. Es ist wohl zu beachten,
dass eine ruhende starre Kreisscheibe wegen der Lorentz-Verkürzung der tangen-
tialen Phasern und der Nichtverkürzung der radialen zerbrechen müsste, wenn sie
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