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dass weder mein
Vater[3]
noch ich bei der Sitzung zugegen war, die die gleiche An-
gelegenheit betraf; bereits vor Eintreffen Ihres Briefes mussten wir auf eine dies-
bezügliche Einladung hin
absagen.[4]
Ein gleiches Schicksal hätte auch—vertrau-
lich und offen gesagt—jede Beitragsaufforderung bei uns gefunden. Aber Ihnen
kann & will ich nichts abschlagen. Wenn ich mich mit einer kl. Zeichnung beteili-
ge, so geschieht es nur aus Sympathie für
Sie.[5]
Um so grösser ist meine Freude,
Ihnen solche zu erweisen. Ja, nach meiner, oft mit Ihnen diskutierten Auffassung
von Idealismus & ethischer Negation drückt sich diese Sympathie um so reiner aus,
je weniger mich die Sache selbst interessiert. Und da muss ich wirklich sagen: Wir
Juden haben ja leider ganz andere Sorgen eben; ich erinnere nur an die Progrom-
bekämpfung. Mag sein, dass mein Vater & ich dabei etwas befangen sind: Dieser
Wissenszweig fesselt uns gar
wenig.[6]
Es ist fast geschmacklos, dass ich das sage,
nachdem Sie es geschickt antizipiert haben. Aber Gefühle sind da, aber nicht, keh-
ren sich jedoch nicht an Geschmack. Letzterer soll immerhin insofern berücksich-
tigt werden, als ich die Summe zu finden suche, die den optimalen Ausgleich der
widerstreitenden Kräfte symbolisiert. Vielleicht haben Sie die Güte und lassen mir
ganz kurz schreiben, welches die unterste Grenze ist, von der an sich die Zeichnun-
gen bewegen; ein paar beigefügte Namen, möglichst aus Frankfurt, würden die
Entscheidung erleichtern. Lassen Sie mir bitte aber nur das schreiben (Ihre l. Frau
wird Ihnen das sicher abnehmen), was Sie mühelos telephonisch erfahren können.
Verübeln Sie mir bitte meine Schwerfälligkeit nicht! Unser Verhältnis würde
hoffentlich noch schwerere Belastungsproben überstehen!
Allseitig herzlichste Grüsse von uns beiden. Stets Ihr getreuer
Oppenheim.
Wie geht es Ihrer Frau Mutter?
ALS. [44 625].
[1]The proverbial “He gives twice who gives quickly” is derived from “Inopi beneficium bis dat,
qui dat celeriter” (“he who gives quickly gives the poor man twice as much good”) from Sententiae
no. 274 of Publilius Syrus, a Roman mime of the first century B.C.
[2]The family of Paul’s mother, Katharina née Edle von Kuffner.
[3]Moritz Nathan Oppenheim.
[4]In all probability an invitation to a meeting regarding the Academy for the Science of Judaism
(Akademie für die Wissenschaft des Judentums; see Vol. 7, Doc. 62, note 4). The academy was orig-
inally envisaged by the German-Jewish theologian Franz Rosenzweig (1886–1929) as “an institution
in which Wissenschaft would be actively mobilized to the task of communal self-definition” (Myers
1992, p. 107). One of its main goals was the revitalization of the Wissenschaft des Judentums within
a Jewish institution as “a consequence of the exclusion of Jewish studies (and scholars) from the Ger-
man academy” (see Myers 1992, p. 140). The initiative received the support of German-Jewish phi-
losopher Hermann Cohen (1842–1918), who called for the establishment of a new-style academy in
March 1918. Consequently, a group of Berlin Jews started meeting to lay the academy’s conceptual
and institutional foundation. This group eventually became the “Society for the Founding and Pres-
ervation of an Academy for the Science of Judaism” (“Verein zur Gründung und Erhaltung einer Aka-
demie für die Wissenschaft des Judentums”). Members of the society included leading German-
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