D O C U M E N T 1 1 9 O C T O B E R 1 9 1 9 1 7 7
119. From Erwin Freundlich
Neubabelsberg Rathaus 3. X. 19
Lieber Herr Einstein
Ich bin wieder im Lande und werde Anfang nächster Woche zu Ihnen kommen,
damit wir die 3. Auflage der Broschüre
durchsprechen.[1]
Heute muss ich auf die Frage meiner Anstellung in Potsdam zurückkommen, da
ich aus einem Gespräch, welches heute einer der älteren Herren des Institutes mit
mir anknüpfte, ersehen habe, dass meine im letzten Briefe vertretene Auffassung
anscheinend nicht richtig war. In Potsdam ist eine Observatorenstelle zu besetzen
und zwar soll das jetzt geschehen. Wie ich erfahren habe, ist die Frage, mir diese
Stelle zu geben, erörtert worden, und allem Anschein nach möchte Müller mir den
Posten
anbieten,[2]
weiss aber nicht, ob ich die Lust habe, mich schon fest an das
Institut zu binden. Da liesse sich wohl leicht eine Lösung finden, die beiden Teilen
angenehm. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass nicht nur Müller sondern auch
die anderen Herren des Instituts es gerne sehen würden, wenn ich in den Verband
desselben eintrete. Auch das Ministerium würde, glaube ich, diese Lösung begrüs-
sen. Allerdings möchte ich meine völlige Freiheit in wissenschaftlicher Hinsicht
gewahrt wissen. Das liesse sich, glaube ich, leicht erreichen, wenn das K. W. Insti-
tut für phys. Forschung weiter das Protektorat über meine jetzigen Arbeiten über-
nimmt—ich glaube, auch Müller sähe das gern—wenn ich weiter den kleinen Etat
von 50 Mk. monatlich für diese Arbeiten behalte und eventuell einen kleinen Zu-
schuss aus Ihrem Institut bekomme, sodass ich gewissermassen „Mitglied“ Ihres
Institutes
bliebe.[3]
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bald mit Müller über diese Angelegenheit
sprechen würden. Aber führen Sie bitte die Unterhaltungen so, wie Sie dieselben
geführt hätten, ohne zu wissen, dass Müller diese Lösung anscheinend gerne sähe.
Mir ist dieser Hinweis heute streng vertraulich gegeben worden. Ich wäre gerne be-
reit, eine Observatorenstellen anzunehmen, wenn ich sicher weiss, dass ich mich
unbehindert betätigen und entwickeln kann.
Ich habe in Ludwigshafen Prof. Bosch gesprochen und mit Dr. Hochheim den
Spektralofen
besichtigt.[4]
Er ist soweit gediehen, dass vielleicht nach Weihnachten
die ersten Versuche in M[oos]burg gemacht werden können.
Also auf Wiedersehen Anfang nächster Woche. Hoffentlich gelingt endlich eine
uns alle befriedigende Lösung meiner Schwierigkeiten Ihr
E. Freundlich
ALS. [11 153].
[1]Einstein was of the opinion that major improvements to a new edition of Freundlich 1917 were
needed, and had offered to discuss the problematic passages in person (see Doc. 106).
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