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Solange unsere Vereinigung nur aus einer kleinen Mitgliederzahl besteht, sind
wir selbstverständlich gezwungen, uns selbst zu betätigen und gegenseitig zu för-
dern, ohne aussenstehende Interessenten heranziehen zu können. Sobald wir
aber—und wir zweifeln nicht, dass das in nicht allzu langer Zeit der Fall sein
wird—stärker geworden sind, werden wir an die beratenden Künstler mit der Bitte
herantreten, unsere Bestrebungen in entsprechender Weise zu unterstützen, damit
die Bewegung immer stärker wird, für moderne Kultur eintritt und, als aus der Stu-
dentenschaft kommend, ein Faktor im Kampf zu neuen Zielen ist.
Unsere—im übrigen in aller Zurückhaltung und Hochachtung,—aber doch
herzlichst und nachdrücklichst vorgetragene—Bitte an Sie geht nun dahin, uns
1) durch ein Schreiben mitteilen zu wollen, wie weit sie eine derartige Bewe-
gung für angemessen und den Zeitströmungen entsprechend für richtig halten (ein
Aufmunterungszeugnis also!):
2) oder aber uns mitzuteilen—dass es uns gelungen ist, ein tiefergehendes Inter-
esse bei Ihnen zu erregen—ob Sie gewillt sind, unsere Bestrebungen zu unterstüt-
zen und zu fördern.
Beides, das zweite natürlich mehr als das erste, ist für uns von grösster Bedeu-
tung, da durch ein Entgegenkommen Ihrerseits, wie vielleicht auch anderer bedeu-
tender Männer, denen wir die gleiche Erklärung zuschickten, unsere künftige Ver-
einigung und die dadurch entstehende Bewegung gesichert erscheint. Wir weisen
zum Schluss darauf hin, dass an der Universität Rostock eine ähnliche Vereinigung
besteht, bereits von namhaften Künstlern auf das Wärmste unterstützt wird und
darauf hindeutet, dass in der studierenden Jugend Deutschlands eine derartige Be-
wegung im Entstehen ist.
In vorzüglichster Hochachtung und Ihrer geneigten Antwort entgegensehend,
zeichnen im Auftrag der zu gründenden „Studentenvereinigung für künstlerische
Kultur an der Universität
Berlin“[3]
Rud. Lindemann
stud. phil.
TLS. [44 344].
[1]Rudolf Lindemann was a student of political science (Staatswissenschaften) who matriculated
at the University of Berlin in winter semester 1918/1919, although he did not complete a degree there
(see Friedrich-Wilhelms-Universität 1919, p. 214).
[2]In July 1919, the Deutsche Studentenschaft was founded as a “formally recognized student self-
government uniting the local councils (Allgemeine Studentenausschüsse, or AStAs) into one
national association” during their annual meeting in Würzburg. This reformed organization, however,
soon faced internal dissension, especially from more conservative and traditional student organiza-
tions (Jarausch 1982, pp. 417ff).
[3]No record of such a group has been found in the archives of the University of Berlin among over
500 officially admitted student groups since the mid-nineteenth century nor among the lists of student
groups that were not admitted.
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