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über diesen Versuch wechsele, die Veröffentlichungen von Harzer und Dir in den
Astronomischen [Na]chrichten
genannt.[2]
Als ich diese Veröffentlichungen ansah, fand ich bei Dir eine geradezu komische
Uebereinstimmung mit meiner schon fertigen Niederschrift und dachte daran, die-
se nun nicht in den Druck zu geben. Als ich Harzers Rechnungen durchsah, wurde
ich wieder anderer Ansicht. Denn gegen harzer habe ich mancherlei Bedenken. Er-
stens ist sein mathematischer Ansatz nichts weniger als relativitätstheoretisch ein-
leuchtend. Ich habe ihn aber schließlich beweisen können, bezweifele aber, daß mir
den Beweis sehr viele Fachgenossen nachmachen können. Ob die Fresnelsche Hy-
pothese, aus welcher Harzer sein Spiegelungs- und Brechungsgesetz an bewegten
Flächen ableitet, zur Relativitätstheorie stimmt, scheint mir aber recht fraglich. Im
Uebrigen, und das ist wohl das Wichtigste, kann ich die Theorie viel einfacher und
einwandfreier gestalten, indem ich aus dem Satz vom ausgezeichneten Lichtweg
(Fermatschen Prinzip) schließe, daß Verlagerung des Lichtweges zu der Zeit nichts
von der ersten Ordnung in beiträgt, die das Licht zwischen einem Punkt P und
einem Punkt Q der Trennungsfläche des Interferometers braucht. Denn nun kann
ich rechnen, als wären alle Strahlen gerade, und als wäre das Spiegekungsgestz wie
an ruhenden Flächen.
Harzer hat selbst gemerkt, daß die Verlagerung des Strahlengans im Endergeb-
nis so gut wie nichts ausmacht, er wundert sich darüber aufs Höchste; und wenn er
das nicht an seiner Formel, sondern nur an den Zahlenrechnungen gesehen hat, so
lieht dies an einem anderen Versehen bei ihm. Er vergisst nämlich ganz, daß auch
die im Interferometer liegenden Luftstrecken etwas zur Streifenverschiebung bei-
tragen. Alles in Allem ist an dieser Rechnung so viel auszusetzen, ferner ist sie so
wenig genießbar geschrieben und dem Physiker so unzugänglich, daß ich nun doch
meine Niederschrift den Annalen geben
werde.[3]
Dass alle erforderlichen Zitate
darin stehen, ist selbstverständlich.
Darum bleibt die Frage, die ich Dir im letzten Brief stellte, für mich wichtig, Ich
wäre Dir für eine nicht gar zu verzögerte Antwort recht
dankbar.[4]
Mit herzlichem Gruß Dein
M. Laue.
TLS. [16 022].
[1]Doc. 145, in which Laue discussed Franz Harress’s dissertation.
[2]See Doc 145, note 1. Otto Knopf.
[3]Laue 1920 was received by the Annalen on 21 January 1920.
[4]Laue’s question in Doc. 145 was whether accelerations in Harress’s experiment could have
necessitated a general relativistic correction to the light-dragging measurements. Laue’s published
comment on Harress’s experiment ends with the observation that the theory was based on the assump-
tion that the accelerations connected with the rotation do not influence the velocity of light to a per-
ceptible degree, that this assumption was corroborated by the general theory of relativity, and that the
experiments should be repeated to test its validity.
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