2 7 4 D O C U M E N T 1 9 4 D E C E M B E R 1 9 1 9
194. To Konrad Haenisch
[Berlin,] den 6. Dez. 19.
Hochgeehrter Herr
Minister![1]
Dieser Tage ist mir ein Bericht des Staatshaushalts-Ausschusses der Verfassung-
gebenden Preussischen Landesversammlung zugegangen, nach welchem in Aus-
sicht genommen ist, mir zur Unterstützung der Forschungen auf dem Gebiete der
allgemeinen Relativitätstheorie aus der Staatskasse 150 000 M. zur Verfügung zu
stellen.[2]
So gross meine Freude und das Gefühl meiner Dankbarkeit über dies
wahrhaft grosszügige Entgegenkommen ist, kann ich doch ein schmerzliches Be-
denken nicht unterdrücken. Wird nicht in dieser Zeit grösster Not ein derartiger Be-
schluss mit Recht bittere Gefühle in der Oeffentlichkeit auslösen? Ich glaube, dass
wir auch ohne Aufwendung besonderer Staatsmittel die Forschung auf dem Gebie-
te der allgemeinen Relativitätstheorie wirksam fördern können, wenn nur die
Sternwarten und Astronomen des Landes einen Teil ihrer Apparate und ihrer Ar-
beitskraft in den Dienst der Sache stellen wollen.
Bisher war Herr Dr. E. Freundlich am Astro-Physikalischen Institut in Potsdam
der einzige deutsche Astronom (neben Schwarzschild), der sich um das Gebiet ver-
dient gemacht hat. Es würde der Sache ein grosser Dienst geleistet werden, wenn
dieser Astronom gemäss dem Vorschlage von Herrn Direktor Müller recht bald
eine Observatorstelle am Potsdamer Institut erhielte mit dem Auftrage, an der Prü-
fung der allgemeinen Relativitätstheorie zu
arbeiten.[3]
Endlich möchte ich einen kleinen, aber um so dringenderen Wunsch äussern, der
meine eigenen Arbeitsmöglichkeiten betrifft, und um dessen sofortige Erfüllung
ich inständig bitte. Durch Vermittlung des Wohnungsamt der Stadt Schöneberg
wurde mir in unserem Hause ein Zimmer zugesprochen, um dort meine totkranke
Mutter nebst einer Pflegerin unterzubringen. Der Hausbesitzer sträubt sich dage-
gen und sucht durch allerlei Vorspiegelung bei den Behörden die Uebergabe des
Zimmers hinauszuschieben bezw. zu hintertreiben, so dass ich tatsächlich vor der
Notlage stehe, der Kranken mein Studierzimmer einzuräumen, wenn die Angele-
genheit nicht schleunigst in günstigem Sinne entschieden wird. Ein Wink des Kul-
tusministeriums direkt an das Mietseinigungamt der Stadt Schöneberg (Fall Ein-
stein–Eisfelder) würde die für mich sehr wichtige und dringliche Angelegenheit
sofort zur Entscheidung bringen. Ich bitte sehr, die erbetene Mitteilung direkt an
die angegebene Behörde gehen zu
lassen,[4]
da ich von der Aerztin der Kranken mit
Telegrammen überschüttet werde, laut welchen die Ueberführung der Kranken von
Tag zu Tag schwieriger wird.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
A. Einstein.
Previous Page Next Page