D O C U M E N T 2 2 5 D E C E M B E R 1 9 1 9 3 1 7
225. From David Hilbert
Göttingen den 20. 12. 19
Lieber Herr Kollege.
Vor allem möchte ich Ihnen namens der bisherigen Redaktion der mathemati-
schen Annalen und auch persönlich von mir aus den besonderen Dank für Ihre Be-
reitwilligkeit aussprechen, mit in die Redaktion einzutreten, die nunmehr aus Ih-
nen, Klein, mir und Blumenthal bestehen wird, welch letzterer die eigentliche
Verwaltung leitet. Al[s] Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates haben uns noch
Sommerfeld und Born ihre Dienste
zugesagt,[1]
womit dann unser Interesse an der
mathematischen Seite der Physik gebührend und unserer Ueberzeugung entspre-
chend zum Ausdruck kommt.
Uns drückt hier vornehmlich die S[or]ge um Debye’s Verlust und wir geben uns
die erdenklichste Mühe, um die Chancen seines Hierbleibens—und solche sind
durchaus vorhanden—zu
erhöhen.[2]
Ich fürchte oder habe wenigstens mitunter
den Eindruck, dass er die Möglichkeit einer Wiedererholung Deutschlands zu un-
günstig beurteilt. Und da kommt mir der Gedanke, ob Sie, der Sie ja in gleicher
Lage einer glänzenden Berufung nach Zürich waren, nicht einige Worte an Debye
schreiben
könnten.[3]
Diese würden sicher nicht ohne Eindruck auf ihn sein. Auch
kam er von seinem letzten Besuch in Berlin, wo er in der chemischen Gesellschaft
vorgetragen hatte und viel mit Haber zusammen war, sehr befriedigt
zurück.[4]
Ich bin sicher, dass Ihnen besonders jetzt die mannigfaltigsten Anforderungen
und Mühen angesonnen werden; nehmen Sie demnach meinen Vorschlag nicht
übel. Nach den Feiertagen will Debye zu Verhandlungen ins Ministerium nach Ber-
lin kommen und sich dann
entscheiden.[5]
Übrigens würde Debye wahrscheinlich
dann bleiben, wenn es sich ermöglichen lässt, ihm das In[s]titut allein zur Verfü-
gung zu stellen und Pohl herauszunehmen; in der Tat ist in dem Institut für 2 Di-
rektoren kein
Platz.[6]
Nun leben Sie wohl und seien Sie herzlich gegrüsst von Ihrem
Hilbert.
ALS. [13 061]. There are perforations for a loose-leaf binder at the left margin of the document.
[1]Otto Blumenthal (1876–1944) was Professor of Mathematics at the Technical University of
Aachen. Arnold Sommerfeld; Max Born. For a historical discussion of the reorganizations of the Ma-
thematische Annalen, see Dalen 1990.
[2]The Swiss Federal Institute of Technology (ETH) had decided to nominate Peter Debye as Pro-
fessor of Physics a few days earlier (see Doc. 214). For a discussion of Debye’s demands in the nego-
tiations, see Doc. 221, note 5. Hilbert had cultivated close ties with Peter Debye during the latter’s
five years in Göttingen (see Doc. 318). Two years earlier, he had already secured Debye’s Göttingen
salary as part of an agreement negotiated with the Prussian Ministry of Education when Hilbert him-
self had received a call to Berlin (see Sauer 2000, p. 191).
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