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240. From Erwin Freundlich
Neubabelsberg, Januar 1920
Bericht über die Tätigkeit im Jahre 1919.
Über die Arbeiten während des vergangenen Jahres ist folgendes zu berichten:
1) Die Untersuchung über die Gravitationsverschiebung des Sauerstoff-Triplets bei
775 μμ im
Sonnenspektrum,[1]
bei welchem es den Anschein hat, als überlager-
ten sich eine Absorptionslinie der Erdatmosphäre über die entsprechende Son-
nenlinie, sodass man hier rein differentiell, ohne irdische Vergleichslichtquelle,
die Gravitationsverschiebung müsste bestimmen können, diese Untersuchung
konnte auch nicht abgeschlossen
werden.[2]
Nachdem es gelungen war, durch
geeignete Bäder aus Alizarinblau bisulfit, die Platten für die gewünschte Gegend
zu sensibilisieren, zeigte es sich, dass das grosse Gitter des Potsdamer Observa-
toriums in diesem Spektralgebiet (Ultrarot) ausserordentlich lichtschwach ist.
Erst nach längeren Bemühungen gelang es mir, ein zwar bedeutend kleineres
Gitter aufzufinden, das lichtstark genug war, um Aufnahmen zu ermöglichen,
bei welchen die Dispersion ausreichend ist (etwa 1 Ä = 0.5
mm).[3]
Die Messun-
gen sollen fortgeführt werden, sobald der Sonnenstand im höhern ist und kein
Gefahr be[s]teht, dass die Farbfilter einfrieren.
2) Um von den unberechenbaren systematischen Fehlern der Wellenlängen in der
Bogenlampe sich frei zu machen, wurde durch die gütige Vermittlung des Herrn
Geheimrat Haber und das grosse Entgegenkommen des Herrn Prof. Bosch der
Bau eines elektrischen Widerstandofens in der Badischen Anilin-, & Sodafabrik
in Angriff genommen und durch die tätige Mitarbeit des dortigen Physikers,
Herrn. Dr. Hochheim soweit gefördert, dass der Ofen im Frühjahr in Betrieb ge-
nommen werden
kann.[4]
Das Ziel ist der Anschluss rein thermisch erzeugter
Metallspektren bei frei veränderlichem Druck, Temperatur und Einwirkung um-
gehender Atmosphären an das Sonnenspektrum.
3) Die meiste Zeit nahm die Inbetriebsetzung eines neuen Modells eines Spektral-
photometers nach dem Prinzip von P. P. Koch in Anspruch. Dieser Apparat der
mit ausserordentlicher Genauigkeit Wellenlängenmessungen gestattet durch den
Anschluss der Maxima der Schwingungskurven und der Linien, die nicht mehr
als 0.01mm von einander entfernt sind, unmittelbar zu trennen erlaubt, wurde im
Sommer fertig-gestellt und als erste Messungsreihe Aufnahmen der Stickstoff-
bande bei 3883
Ä[5]
von den Herrn Grebe und Bachem in Bonn, welche gewon-
nen waren, um die Gravitationsverschiebung der Linien dieser Bande fest-
zustellen,
ausregistriert.[6]
Die sodann in Angriff genommene systematische
Untersuchung der Sternspektren, die im allgemein Rotverschiebung zeigen,
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