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310. From Heinrich Pfeiffer[1]
Leipzig, Kreuzstrasse 3b, den 12. Februar 1920
Sehr verehrter Herr Professor
Wir wenden uns an Sie mit einer persönlichen Bitte, deren Erfüllung Sie uns
nach Einsicht in den Sachverhalt gewiss nicht versagen werden.
Wie Sie wissen werden, befindet sich der deutsche Buchhandel unter den jetzi-
gen wirtschaftlichen Verhältnissen in einer besonders trostlosen Lage. Löhne, Ma-
terial- und Druckkosten erschweren die Ausgaben oder Neuauflagen guter Litera-
tur aufs höchste. Aber nicht nur im Lande, auch draussen in der ganzen Welt treten
trotz der schlechten Valuta gerade dem deutschen Buch als dem Schildträger und
Vorkämpfer des deutschen Geistes Berge von Schwierigkeiten entgegen, Abnei-
gung, Groll, Misstrauen und Argwohn der ehemals feindlichen und der meisten
neutralen Völker werden durch eine sehr geschickte propagandistische Bewegung
des französischen Verlagswesens, das von den fremden Regierungen systematisch
durch regelmässige Zuwendungen gefördert wird, immer wieder ausgenützt, um
den einzigen Anwalt unserer Sachen, das deutsche Buch, zu diskreditieren und
mundtot zu machen. Dagegen arbeitet unsere Gesellschaft, die die Organization
der 90 grössten exportierenden Verleger auf wissenschaftlichem, schöngeistigem
und musikalischem Gebiete vertritt. Wir versuchen allenthalben durch Vertretun-
gen, Korrespondenten, Ausstellungen, Förderung deutscher Auslandsunternehmen
und anderer Mittel, insbesondere auch durch unmittelbare Verständigung mit gei-
stig hervorragenden Persönlichkeiten des Auslands, die verlorenen Beziehungen
wieder aufzunehmen. Näheres können Sie auf Wunsch gern aus unserer Denk-
schrift oder unseren Berichten
ersehen.[2]
Nun handelt es sich aber angesichts der ungeheueren Kosten einer solchen Aus-
landspropaganda neben der opfermutigen Beihilfe unserer Mitglieder—deren vor-
läufiges Verzeichnis Sie in der Beilage finden—auch noch um die offizielle Unter-
stützung des Reichs, über die in nächster Woche in einer Sitzung der einschlägigen
Reichsstellen und Bundesstaatsvertreter in Berlin entschieden werden soll.
Für alles, was wir jetzt drinnen und draussen unternehmen, dürften aber nicht
wirtschaftliche, sondern in erster Reihe sittliche und geistige Grundsätze massge-
bend sein und in diesem Sinne möchten wir auch unsere Sache vertreten. Wir wä-
ren Ihnen, sehr geehrter Herr Professor, nun aufs höchste verpflichtet, wenn Sie
dem schwer darniederliegenden deutschen Buchhandel, angesichts seiner unzer-
trennlich engen Verbindung mit der deutschen Wissenschaft ein paar verständnis-
volle Worte—kein ausführliches Gutachten—über den Wert des deutschen Buches
für die internationale Wissenschaft, über seinen kulturpolitischen Charakter als
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