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11. From Wilhelm Lenz[1]
München, d. 25. März 1919.
An das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik
z. H. d. Herrn Prof. A. Einstein
Der soeben bekanntgegebene Wunsch des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik
nach Wiederbelebung der Forschungsarbeit durch Gewährung von
Stipendien[2]
veranlasst mich, die folgende Bitte vorzutragen, die auch von Herrn Geh. Rat.
Sommerfeld unterstützt wird und von diesem bereits vor Jahresfrist mit den Herren
Prof. Einstein und Geh. Rat. Planck besprochen worden
ist.[3]
Über meine Persönlichkeit möchte ich erläuternd das Folgende vorausschicken.
Ich bin am 8. Febr. 1888 zu Frankfurt a/Main geboren, studierte in Göttingen und
München und promovierte in München 1911. Das Thema meiner Dissertation war
entsprechend meiner ursprünglichen Absicht, in die Technik zu gehen, aus dem
Gebiet der Maxwellschen Elektrodynamik
gewählt.[4]
Ich wurde darauf Assistent
am Münchener Institut für theoretische Physik der Universität bei Prof. Sommer-
feld. Mein Interesse wandte sich mehr und mehr von dem Spezialgebiet der Elek-
trodynamik ab und den allgemeineren Fragen der theoretischen Physik zu,
insbesondere denjenigen der statistischen Thermodynamik. Ich habe hierzu über
das Maxwellsche Verteilungsgesetz und gemeinsam mit Prof. Sommerfeld über die
Theorie des einatomigen Gases
gearbeitet.[5]
Diese Entwicklung erfuhr eine Unter-
brechung durch Wiederaufnahme des elektrodynamischen Problems meiner Dis-
sertation von einem neuen Standpunkt aus. Es gelang in verhältnismässig sehr
einfacher Weise das Spektrum der Eigenschwingungen einer Spule zu berechnen.
Mit dieser Arbeit habilitierte ich mich in München im Jahre
1914.[6]
Der wieder-
aufgenommenen Untersuchung statistischer Fragen wurde durch den Ausbruch des
Kriegs ein Ende gesetzt. Meine militärische Tätigkeit liess mir während der ganzen
Dauer des Kriegs sehr wenig Zeit und Arbeitskraft für wissenschaftliche Untersu-
chungen. Erst gegen Ende des Kriegs besserte sich meine Lage; ich befasste mich
mit der Frage des Aufbaus der Atomkerne aus Wasserstoffkernen und Elektronen
nach der Quantentheorie. Diesen Bemühungen entsprang eine Arbeit über „ein in-
vertiertes Bohrsches
Atommodell“.[7]
Ein Verzeichnis meiner Veröffentlichun-
gen liegt
bei.[8]
Zu dieser durch den Krieg verursachten Beeinträchtigung meiner wissenschaft-
lichen Tätigkeit gesellt sich jetzt nach Kriegsschluss infolge der Übernahme einer
Assistentenstelle eine weitere, wenn auch geringfügigere Beeinträchtigung, der ich
mich durch meine pekuniäre Lage nicht entziehen kann. Meine gegenwärtigen Ein-
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