DOCUMENT 74 AUGUST-SEPTEMBER 1900 257 Das Kind macht si rar, Was denkt er dazua? Hangt Doch mit all' Fäserle Dran an saim Bua. Weil Du aber so a wieschts Frätzle bist, hör ich fuchsteufels wild jetzt auf! Sei gegrüßt und gepuzerlinet von Deinem Albert. 74. To Mileva Maric Mailand via Bigli 21. Donnerstag Nachts im Bett [30 August or 6 September 1900][1] Meine liebe Miez! Heut erhielt ich einen eingeschriebenen Brief von Dir, dem ich die Furcht ansehe, es könnte ihn jemand anders in die Hand kriegen. Nein Schatzerl, ich bekam alle Deine lieben Briefchen pünktlich und auch das Geld schon längst in Melchthal. Du kannst mir stets so schreiben, wie Dir ums Herz ist, denn einen Brief wegzunehmen wäre für meine Eltern ebenso unklug als zwecklos. Übrigens hast Du so etwas schon deshalb nicht zu fürchten, weil ich sicher bin, daß sie so eines Vorgehens unfähig wären. Ich habe Mama auf die Probe gestellt. Meine Eltern sind sehr bekümmert wegen meiner Liebe zu Dir, Mama weint oft bittere Thränen & kein ungestörtes Augenblickchen wird mir hier zu teil. Meine Eltern beweinen mich fast, wie wenn ich gestorben wäre. Immer wieder jammern sie mir vor, daß ich mich durch mein Ver- sprechen mit Dir ins Unglück gestürzt hätte, daß sie glaubten, Du seist nicht gesund ......... o Doxerl, es ist zum närrisch werden! Du glaubst nicht, wie ich leide, wenn ich sehe, wie sie mich beide lieb haben und so trostlos sind, wie wenn ich das größte Verbrechen begangen hätte & nicht das gethan, was Herz und Gewissen mir unwiderstehlich eingaben. Wenn sie Dich nur kennen würden! Aber sie sind wie verhext & meinen ich sei's. Samstag gehe ich mit Papa auf die Reise, auch nach Venedig.[2] Ich war so traurig, daß ich nicht mit wollte doch sie erschraken darob so heftig, daß mir ganz Angst wurde. Von diesen Ferien werd ich mich erst allmählich in Deinen Armen erholen können-es gibt ärgere Sachen als ein Examen. Jetzt weiß ichs. Das ist ärger als die Schwierigkeiten in der Welt. Meine einzige Zerstreuung ist das Studium, daß ich jetzt mit doppelter Liebe