314 DOCUMENT 121 JULY 1901 uns noch die ganze Zeit, das ist noch das allerhöchste. Hattest Du denn eine offene Auseinandersetzung mit Deiner Mamma? Du mein lieber Schatz, was musst Du alles für mich ertragen! Und für das alles habe ich Dir nur das bisschen Liebe zu geben, was in einem Menschenherzchen wohnt. Aber weisst es ist doch nicht so arg wenig, und wenn es menschenmöglich ist, so wirst Du dadurch doch für manches entschädigt. Und dass sich Deine Mutter nie mit Dir aussehnen wird, daran glaube ich einmal nicht. Es müsste denn ihr Verhältniss zu Dir nur Ehrgeiz und Eigenliebe ausmachen und ganz ohne Liebe sein, und solche Mütter gibt es ja gar nicht. Und dann musst Du auch immer denken, dass ich ihnen nur als falsche Vorstellung bekannt bin, und dass es noch immer in meiner Hand steht, Ihnen auch in einem für sie angenehmeren Lichte, entgegenzutreten. Ich glaube dass es zur Aussehnung viel Zeit und guten Willen brauchen wird, aber ich halte sie für sicher. Weisst, ich habe mir sogar einige Metoden ausgedacht wie wir's anfangen. Z.B. Wenn es mir gelingt mich bei irgend einen Bekannten von ihnen einzuschmeicheln, auf den sie ein bisschen heraufschauen, dann sind sie schon grösstenteils besiegt (ich behaupte nämlich) Und noch andere Sächelchen habe ich mir schon ausgedacht. Schreibe Doch bald an meinen Alten, Schatzerl, da ich am Samstag schon reisen möchte, und sie sollten schon ein Brieferl haben bevor ich heimkomme. Schicktst Du mir das Brieferl, damit ich auch sehe, was Du schreibst?-Ich reise mit meiner Freundin Frl. Bucek.[2] Die ahnt auch nicht, mit was für einen Gemisch von gefühlen ich diese Reise betrete. Schreibe meinem Papa nur kurz ich werde ihm dann die nötigen Notizen, und auch die unangenehmen, allmählig beibringen. Aber wenn Du meinst, dass sich Michele[3] so zur Sache verhält, dann wäre es vielleicht besser, du sagtest ihm gar nichts. Sie sind halt schon alle über das Stadium der reinen Menschlichen Empfindung hinaus, versunken in die Alltäglichkeit des Lebens. Du siehst ja wie Deine Schwester, trotz manch- maliger Schwankung, doch anders sich zu solchen Sachen verhält. Es freut mich wirklich, dass sie sich nicht auch so wie die Andern auf die Hinterbeine gegen mich stellt, sondern im Gegenteil. Das Geld schicke ich gleich nach Mailand, soll ich Dir auch das Andere schicken? Oder wenn wir uns treffen wollen, noch einmal, dann bringe ich's Dir. Es fährt ein Zug um 7U 56min Uhr Morgens, an Mettmenstätten vorbei, gegen Zug,[4] hat dort eine Viertelstunde Aufenthalt und geht dann wieder [2] Auguste Bucek (1873-?), a medical stu- dent, was returning to her home in Croatia. She presumably met Maric at the Pension Bächtold while they both lived there (see Einwohnerkontrolle, SzZ-Ar). [3] Michele Besso. [4] The capital of the canton of Zug.
Previous Page Next Page