328 DOCUMENT 130 DECEMBER 1901 130. To Mileva Maric Schaffhausen Donnerstag. [19 December 1901][1] Mein liebes Schatzerl! Schon wieder gute Nachrichten! Halt, zuerst noch eine herzliche verspätete Gratulation zu Deinem Geburtstagerl von gestern, an das ich schon wieder vergessen hatte. Aber hör einmal & sei vor Freude umarmt und geküßt! Haller[2] hat mir eigenhändig einen freundlichen Brief geschrieben und mich aufgefordert, mich schleunigst um eine neugeschaffene Stelle am Patentamt zu bewerben![3] Nun ist kein Zweifel mehr. Großmann hat mir schon gratuliert. Ich widme ihm meine Doktorarbeit, um mich ihm irgendwie dankbar zu erweisen.[4] Der hat gezeigt, daß er ein rechter Kerl ist! Und Du wirst bald mein glückliches Weiberl, paß nur auf. Jetzt haben unsere Leiden ein Ende. Nun sehe ich erst, wie lieb ich Dich habe, da der arge Druck der Verhältnisse nicht mehr auf mir lastet! Gewiß wird alles bald entschieden sein. Jetzt darf ich bald mein Doxerl in den Arm schließen und es vor aller Welt mein eigen nennen. Bald bist Du wieder grad so meine "Studentin" als wie in Zürich. Freust' Dich? Heute war ich den ganzen Nachmittag beim Kleiner[5] in Zürich und hab ihm meine Ideen zur Elektrodynamik bewegter Körper erklärt & auch sonst über alle möglichen physikalischen Fragen mit ihm gesprochen. Er ist doch nicht ganz so dumm wie ich gemeint habe, und vor allem, er ist ein guter Kerl. Er hat gesagt, ich dürfe mich, wenn ich eine Empfehlung brauche, stets auf ihn berufen. Ist das nicht nett von ihm? In den Ferien muß er verreisen und die Arbeit hat er noch nicht gelesen.[6] Ich hab ihm gesagt, er solle sich nur Zeit nehmen, mir pressiert es nicht. Er riet mir, meine Ideen über elektro- magnetische Lichttheorie bewegter Körper zu veröffentlichen sammt der experimentellen Methode.[7] Er fand, daß die von mir vorgeschlagene experi- mentelle Methode die denkbar einfachste und zweckmäßigste sei. Ich war sehr erfreut über den Erfolg. Gewiß werde ich in den nächsten Wochen die Abhandlung verfassen. In den Ferien bleibe ich hier, die beiden Weihnachts- feiertage aber verbringe ich mit meiner Schwester in Paradies, in traulicher Wintereinsamkeit.[8] Wenn Du nur auch dabei sein könntest! Aber unser Para- dies kommt bald nach. Ich bin ganz rappelköpfig vor Vergnügen. Ob der Engländer mit nach Bern geht,[9] ist noch nicht sicher-aber unter diesen Umständen ist mirs ziemlich schnuppe. Der alte elende Kerl[10] wird schauen,