5 4 V O L U M E 8 , D O C U M E N T S 2 6 3 a , 2 6 3 b
Vol. 8, 263a. To Paul Bernays[1]
[Berlin,] Freitag. [13 October
1916][2]
Lieber Herr Kollege!
Der zeitliche Richtungssinn, welcher bei den lebenden Organismen überall zu-
tage tritt, hängt aufs engste mit dem zweiten Hauptsatz zusammen. Es handelt sich
in der Hauptsache um Diffusionsvorgänge, nicht umkehrbar verlaufende chemi-
sche Vorgänge, Wärmeleitung, viskose Strömung etc. Dass diese zeitliche Einsei-
tigkeit des Geschehens in den von uns zugrunde gelegten Grundgesetzen keinen
Ausdruck findet, ist durchaus richtig. Aber diesen Umstand hat die Relativitäts-
theorie mit der klassischen Mechanik gemeinsam, ebenso mit der gewöhnlichen
Elektrodynamik und Optik. Der zweite Hauptsatz wird so aufgefasst, dass für die
eine zeitliche Grenze (untere t-Grenze) eines ins Auge gefasste vierdimensionalen
Gebietes ein sehr unwahrscheinlicher Zustand gesetzt wird, die Wahrscheinlich-
keitsbetrachtungen ergeben dan für die obere t-Grenze des Gebietes einen Zustand
grösserer Wahrscheinlichkeit. Das Rätsel wird somit in die Grenzbedingungen hin-
ein verlegt und somit von der „Erklärung“ mittelst der Gleichungen Abstand ge-
nommen.
Dies Verfahren hat wohl etwas Unbefriedigendes. Aber alle bisherigen Theori-
en, welche eine Analyse der nicht umkehrbaren Vorgänge geben (z. B. die kineti-
sche Gastheorie) gleichen in dieser Beziehung den neuen Theorien der Relativität.
Die Grundgleichungen sind so beschaffen, dass die Gleichungen auch durch den
zeitlich inversen Vorgang befriedigt werden.—
Verzeihen Sie die nachlässige Redaktion! Ein Berg von Briefen und anderen
Pflichten wartete hier auf mich. Gestern Abend bin ich nämlich von Holland zu-
rückgekommen. Glückliche Reise und ein erspriessliches Semester wünscht Ihnen
Ihr
A. Einstein.
ALS (SzZE, Nachl. Bernays, Hs. 975:5319). [70 472].
[1]Recipient identified by the document being found in Bernays’ estate. Paul Bernays (1888–1977)
was Assistent in mathematics at the University of Zurich.
[2]Dated on the assumption, based on the reference to Einstein’s return from Holland, that the letter
was written the same day as Vol. 8, Doc. 263b, in the present volume.
Vol. 8, 263b. To Heinrich Zangger
[Berlin, 13 October 1916]
Lieber Freund Zangger!
Gestern Nacht von einer 14-tägigen Reise nach Holland zurückgekehrt fand ich
Ihre Karte, aus der ich sehe, dass es langsam mit Oszillationen besser
geht.[1]
Ich
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