6 2 V O L U M E 8 , D O C U M E N T 2 8 3 a
Vol. 8, 283a. To Michele Besso
[Berlin, after 6 December
1916][1]
Lieber Michele!
Ist es nicht doch möglich, dass Milevas Leiden rein nervöser Natur ist? Mir
kommt es vor nach der Beschreibung wie Epilepsie. Auch die zeitliche Art des
Auftretens spricht
dafür.[2]
Sie thut mir sehr leid und ebenso die Buben, die eine
wahrhaft traurige Jugend haben. Aber es ist nichts zu machen. Ich habe meine Brie-
fe an Albert stets so eingerichtet, dass sie Mileva ohne unangenehme Gefühle lesen
konnte. Deine diesbezügliche Vermutung kann also nicht
zutreffen.[3]
Übrigens
bringt die Umgebung eines Kranken markante Vorkommnisse immer mit äusseren
Ereignissen in Zusammenhang.—
Ich habe mich von meinen Verwandten insofern unabhängiger gemacht, als ich
nun fast immer allein zuhause zu Abend esse. Dabei koche ich mir stets eine Klei-
nigkeit selbst, da ich das Glück habe, mit dieser naheliegendsten und ehrlichsten
Dienerschaft auszukommen. Davon, mich nochmals zu verheiraten, bin ich ein für
allemal abgekommen. Ihr hattet in dieser Beziehung unbedingt Recht; überhaupt
sieht man in Sachen anderer klarer als in den eigenen! Pauli schreibt sehr begeistert
über Deine Vorlesung und über Deinen Artikel in der E.T.Z., den Du mir hoffent-
lich nicht unterschlagen
wirst.[4]
Die Friedensschalmei tönt immer eindringlicher
…. sie weiss
warum.[5]
Ich weiss noch nicht genau wie ich nächste Ostern die Kin-
der wiedersehen soll. Jedenfalls halte ich mich nicht in Zürich auf, weil dies Auf-
regungen verursacht. Am liebsten liesse ich sie nach Luzern kommen, aber das
dürfte sich schwer durchsetzen lassen. Ich bin eigentlich entrechteter als ein Zucht-
häusler. Es scheint, dass Weyl mit einer unrichtigen Hamiltonschen Funktion ge-
rechnet hat. Mir genügt, dass leider die Hinzunahme der Gravitation das Elektron
nicht
erklärt.[6]
Überhaupt ist der Zusammenhang zwischen Gravitation und Elek-
tromagnetismus bis jetzt recht
äusserlich.[7]
Auch wird es mir schwer zu glauben,
dass sich der Herrgott die Mühe gab, zwei so ganz wesensverschiedene Zustände
des Raumes einzuführen. Hier steckt wahrscheinlich noch ein infernalischer Witz
dahinter. Ich bemühe mich aber vergeblich, etwas zu bessern. Wiechert habe ich im
Kolloquium wegen des Merkur sehr schlecht
gemacht.[8]
Trägheit der Energie; gut.
Aber ein Faktor 10,7 dazu ist läppisch. Du sagst es ja auch in Deinem Briefe. Was
würdest Du sagen wenn einer ein mechanisches Phänomen durch verwandelte
Wärme erklärte, aber das Aequivalent
10,7·4,2·107
setzte?[9]
An dem Gerber soll
das beste sein, dass er aus seinem an sich schon abenteuerlichen Potential die Kräf-
te falsch ableitet. Dies verdanke ich Sommerfeld, dem es Seliger
erzählte.[10]
Die
Flammsche Arbeit ist ganz
hübsch.[11]
Die Lichtbahnen sind immer geodätische
Linien.